Drittes Reich Gymnasium Vohwinkel: 200 Schüler wollen Zeitzeugin hören

Rachel Klüger hatte als Kind den Massenmord an den Juden überlebt und erzählte ihre Lebensgeschichte.

 Zeitzeugin Rachel Klüger hat das Gymnasium Vohwinkel besucht.

Zeitzeugin Rachel Klüger hat das Gymnasium Vohwinkel besucht.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Das Interesse an diesem Zeitzeugengespräch war noch größer als erwartet. Am Gymnasium Vohwinkel stehen die Themen Zweiter Weltkrieg und Holocaust derzeit auf etlichen Lehrplänen. Mit Rachel Klüger hatte Geschichtslehrerin Alessa Lappas eine Zeitzeugin eingeladen, die als Kind den Massenmord an den Juden nur knapp überlebte. Um allen Neugierigen gerecht zu werden, holte das Gymnasium Pfarrerin Britta Scholz mit ins Boot. Sie sorgte dafür, dass 200 Schüler der 9. Klasse und der Oberstufe in der evangelischen Kirche Vohwinkel Klügers Lebensgeschichte folgen und ihr Fragen stellen konnten.

 Schulleiter Dr. Kai Herrmann führte die Zuhörer ans Thema heran. Natürlich sei bei Kriegsende 1945 keiner seiner Schüler auf der Welt gewesen. „Warum sollte euch das also eigentlich interessieren?“, fragte er in die Runde. Doch so einfach sei es nicht. Es gebe ein kollektives, historisches Erbe – und dazu gehöre auch das unangenehme Erbe des Holocaust. Auf der Hand lagen für Herrmann auch die Konsequenzen für die Gegenwart. Aus dem Gedenken an die NS-Opfer ergebe sich aktuell der Einsatz für die Menschenrechte, insbesondere das Engagement für die Schwächeren in der Gesellschaft.

 Das Erinnern hat sich das Projekt „Zeugen der Zeitzeugen“ auf die Fahnen geschrieben. Im Namen des Projekts begleitete Natalja Part Klügers Vortrag mit einer Multimedia-Präsentation. Familienfotos, Landkarten und erläuternde Texte brachten einem das historische Geschehen nahe. Die Zeitzeugin selbst berichtete so lebendig-temperamentvoll, dass einem auch knapp zwei Stunden nicht lang wurden.

Mit vier Jahren wurde sie
in ein Arbeitslager deportiert

„Mein ganzes Leben war eine Reihe von Zufällen“, erklärte Klüger, die 1937 in Rumänien zur Welt kam. Gerade einmal vier Jahre war sie alt, als sie mit ihren Eltern in ein Arbeitslager deportiert wurde. Dort musste die Familie mit insgesamt 14 Personen in einem Raum leben. Hunger, Kälte, Krankheiten und Erschießungen durch die SS waren an der Tagesordnung. Was das Schlimmste für sie gewesen sei, fragten die Schüler. „Das schlimmste Erlebnis war, dass in unserem Zimmer Leute gestorben sind.“

 Dass Rachel alle Gefahren überstand, lag an ihren Eltern, die für sie bis heute „große Helden“ sind. Durch seine Fabrikarbeit kam der Vater an Lebensmittel, die Frau und Kind vor dem Verhungern bewahrten. Nach der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee kehrte die Familie nach Rumänien zurück.

 Nicht weniger Fragen gab es, als Klüger von ihrem zweiten Leben sprach. Mit Mitte 30 siedelte sie in die Bundesrepublik über und unterrichtete jahrzehntelang an einem Düsseldorfer Gymnasium. Ja, sie könne in diesem Land als Holocaust-Überlebende leben. „Es ist nicht das gleiche Deutschland. Auch hier gibt es wunderbare Menschen.“ Eine klare Meinung hatte sie auch zum Thema Gedenkkultur. „Gedenkstätten sind gut. Aber es ist mehr erreicht, wenn man den Lebenden hilft.“

 Der Gedankenaustausch mit den Schülern machte ihr sichtlich Freude. „Ihr seid nett. Wir müssen uns noch mal treffen.“ Den Jugendlichen gab sie mit auf den Weg, dass sie „anständig“ bleiben sollten – „weder Täter noch Opfer“.

„Zeugen der Zeitzeugen“ ist Teil der Initiative 27. Januar und finanziert sich als gemeinnützig anerkannter Verein fast ausschließlich aus Spendengeldern. Seine Mitglieder organisieren Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden an Schulen und Universitäten. Weitere Angebote sind Schulungen, deutsch-israelische Austauschprogramme und Fahrten zu Gedenkstätten wie zum Beispiel Auschwitz und Theresienstadt.

 Weitere Informationen zu der Initiative gibt es im Internet unter