Nach Hanau „Hanau war das Ergebnis von Hetze gegen Muslime“

Mohamed Abodahab sagt, die Gewalttat von Hanau sei rassistisch und islamfeindlich gewesen. Er fordert, das klar zu benennen.

 Mohamed Abodahab war Vorsitzender der Interessenvertretung der Wuppertaler Moscheen

Mohamed Abodahab war Vorsitzender der Interessenvertretung der Wuppertaler Moscheen

Foto: Fries, Stefan (fri)/Fries, Stefan (fr)

Am Samstag hat sich Wuppertal in aller Trauer von seiner besten Seite gezeigt – gemeinsam auf der Straße, um gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu demonstrieren, für eine diverse Gesellschaft. Denn das ist Wuppertal – mit rund 40 Prozent Menschen, die Wurzeln in anderen Ländern haben.

Mohamed Abodahab, bis Freitag Vorsitzender der Interessenvertretung der Wuppertaler Moscheen, lief vorneweg, redete auf dem Von der Heydt-Platz und mahnte, den Anschlag von Hanau nicht als „fremdenfeindlich“ zu bezeichnen. „Die Opfer waren keine Fremden.“ Am Dienstag wiederholt er die Sätze im Gespräch mit der WZ. „Das waren jungen Leute, die hier aufgewachsen sind. Teile der Gesellschaft. Voll integriert. Menschen, die das Recht auf ein würdiges Leben hier haben.“

Abodahab: „Alltagsrassismus
gibt es definitiv“

Gewalttaten wie in Hanau sind die Extremform. Rassismus gibt es aber auch im Kleinen. „Alltagsrassismus gibt es definitiv“, sagt Abodahab. Er kennt das selbst, sei „Bombenleger“ genannt worden, zeigt eine Mail, die er nach der Demo bekommen hat, in der der Absender ihm die Intelligenz abspricht, ihm etwas entgegenzusetzen. Abodahab sagt aber, dass vor allem die Frauen unter Ressentiments litten. Die, die Kopftuch tragen. „Es sind Kleinigkeiten, wie die Blicke, wenn sie etwas umtauschen wollen. Sie werden angeguckt, als wären sie schuld, oder als hätten sie nicht das Recht, etwas umzutauschen, das defekt ist“, sagt er. „Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Ich fühle mich machtlos.“

Nach dem Anschlag von Hanau, bei dem der Attentäter Tobias R. am 19. Februar zehn Menschen und sich selbst erschossen hat, möchte Abodahab über das Islambild sprechen. Die Ressentiments, die ihm entgegenschlagen – unabhängig von dem sozialem Status seines Gegenübers. Das gebe es in allem Schichten. In Deutschland sei Islamhass geschürt worden – durch Menschen wie Thilo Sarrazin oder die AfD. Die Rede von „Messermännern oder Kopftuchmädchen“ im Bundestag, das färbe ab, das führe zu Gewalt wie in Hanau, sagt Abodahab. „Hanau war kein Zufall, sondern das Ergebnis von Hetze gegen Muslime.“

Selbst in der gemeinsamen Trauer und dem Aufschrei in der Gesellschaft und den Medien, sieht er noch Zeichen von Ressentiments. Wenn ein Anschlag, der sich klar gegen Muslime gerichtet habe, nicht als das benannt werde, was er ist: „Warum heißt es nicht anti-muslimischer Anschlag?“ Warum werde das nicht benannt? Ein Anschlag wie in Halle, bei dem im Oktober 2019 ein Mann versuchte, in eine Synagoge einzudringen, und zwei Menschen tötete, werde klar antisemitisch genannt. Die Klarheit fehle Abodahab, wenn es um Muslime geht.

Ihm geht es um Differenzierung. Darum, dass Attentate auf Muslime klar so genannt werden. Gleichzeitig weiß er um die Situation der anderen Opfer von Diskriminierung und rechter Gewalt. „Wir sitzen alle im gleichen Boot.“

Bei aller Kritik, allen Verletzungen, Abodahab ist dankbar für die gute Integrationsarbeit in Wuppertal. Für die guten Beziehungen zu den anderen Religionsgemeinschaften, zu der Stadtspitze, zur Wuppertaler Gesellschaft. Dankbar für die Solidarität, die etwa am Samstag spürbar war. „Wir respektieren und akzeptieren uns“, sagt er. „Hier herrscht ein gutes und besonderes Klima.“ Nicht umsonst soll in Wuppertal der bundesweit erste christlich-jüdisch-muslimische Friedhof entstehen. Das gehe nur hier, meint er. „Wuppertal ist besonders.“