Hetze im Netz Hassmails: Fall Bocholt löst Bestürzung aus
Wuppertaler Politiker reagieren schockiert auf den Rücktritt des Kommunalpolitikers Purwin in Bocholt.
Wuppertal. Die Wuppertaler Politik reagierte bestürzt auf die Nachricht, dass der Bochholter SPD-Chef Thomas Purwin am Dienstag aufgrund von massiver Bedrohung durch Hassmails — die zum Schluss auch seine Lebensgefährtin und seine kleine Tochter adressierten — von seinem Amt zurückgetreten war.
„Mich hat das zutiefst geschockt. So macht man eine Demokratie kaputt“, sagt Stefan Kühn, stellvertretender Vorsitzender der SPD. „Wenn Menschen, die sich in der Kommunalpolitik engagieren, um ihre Sicherheit und die ihrer Familie bangen müssen, dann läuft einiges falsch.“ Als Sozialdezernent und Flüchtlingsbeauftragter war er besonders schockiert, als seine damalige Kölner Amtskollegin Henriette Reker kurz vor der Oberbürgermeisterwahl im Oktober 2015 Opfer einer Messerattacke wurde. „Das Thema Flüchtlinge sorgt für besonders viel Aggression an der politischen Basis.“ Umso wichtiger sei es gewesen, die vielen Bürgerversammlungen abzuhalten, bei denen Kühn viele Ängste der Bürger durch Fakten und Erklärungen beseitigt haben will. „Mit den Menschen zu sprechen ist das einzige Mittel, um sie der Politik näherzubringen.“
Michael Müller, Fraktionsvorsitzender der CDU, ist gleichermaßen schockiert. „Diese Entwicklung, dass manche Menschen das Internet als rechtsfreien Raum begreifen und dort völlig enthemmt ihrem Hass freien Lauf lassen, ist sehr bedenklich.“ Um so wichtiger sei es, Hetze im Netz und persönliche Bedrohung sofort der Justiz zu übergeben. „Diejenigen, die das machen, müssen sofort zu spüren bekommen, dass ihr Handeln nicht folgenlos bleibt.“ Müller betonte, er habe großen Respekt vor der Entscheidung Purwins, seine Familie schützen zu wollen.
Selbst erlebt habe Marc Schulz, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, massive Attacken im Netz noch nicht, wohl aber sein Düsseldorfer Kollege Norbert Czerwinski, der derzeit sogar Drohanrufe zu den Anfeindungen im Netz erhalte. Grund dafür ist ein falsches Zitat in einer Boulevardzeitung zum Weihnachtsbaum vor dem Rathaus. Auch Schulz fordert ein konsequentes Durchgreifen der Justiz: „Wer meint, im Internet die Sau rauslassen zu können, muss eines Besseren belehrt werden.“
„In Wuppertal ist dieses Phänomen noch nicht angekommen“, sagt Gerd-Peter Zielezienski, Fraktionsvorsitzender der Linken. „Aber ich hoffe, dass darüber offen geredet wird, sollte es zu solchen Vorfällen kommen.“ In der Bundespolitik seien seiner Partei Anfeindungen sehr bekannt. „Man darf nicht vergessen“, sagt Michael Müller, „dass die Menschen in der Kommunalpolitik sich alle ehrenamtlich für ihre Stadt engagieren.“