Wuppertal Helmut Morsbach: Das Schleifen war Familientradition

Der letzte Besitzer des Manuelskotten hat sich längst zur Ruhe gesetzt. Mit 90 Jahren genießt er inzwischen den Ruhestand.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Man braucht Helmut Morsbach nur darauf anzusprechen. Dann kann er viel erzählen über den Manuelskotten und die Entwicklung der Schleiftechnik. Er war der letzte Privatbesitzer des Schleifbetriebs, der jetzt Museum ist.

„Da bin ich am Schleifstein“, erzählt der Senior bei einem Blick auf den Bilderrahmen mit alten Fotografien. Daneben ist er mit dem ehemaligen Oberbürgermeister Gottfried Gurland zu sehen. Ein ganz altes Bild zeigt die Schleifer-Großfamilie im Jahr 1907, seinen Vater Karl Morsbach mit seinen Brüdern.

In den Schleifbetrieb ist Helmut Morsbach von Kindesbeinen an hineingewachsen. Oft brachte er dem Vater das Essen in den nur wenige Meter von seinem Elternhaus gelegenen Kotten. „Wenn die Dampfmaschine lief, nahm mich dann unser Heizer mit und ich durfte das Rad zudrehen“, erzählt Helmut Morsbach. Denn für die Pause stand der Betrieb still. „Aber aufdrehen wollte ich das damals nicht, da kam überall Dampf raus“, erinnert er sich an seine kindlichen Ängste.

Die hatte er natürlich längst überwunden, als er ab 1941 bei der Firma Kremendahl in die Schleiferlehre ging. Weil er zwei Jahre später eingezogen wurde, konnte er keine Gesellenprüfung machen, doch seine Ausbildung wurde später trotzdem anerkannt.

„1946 habe ich nach der Gefangenschaft im Kotten angefangen und dann richtig gelernt“, sagt der alte Schleifer. Den Betrieb führte damals sein Vater mit — obwohl der ursprünglich eine ganz andere Karriere vorhatte. Denn Karl Morsbach war sehr musikalisch, lernte Geige, ging nach Berlin, war erster Geiger preußischen Garde-Grenadier-Regiment, spielte sogar vor dem Kronprinzen.

Doch dann kehrte er doch in die Heimat zurück. Warum, wolle keiner in der Familie gewusst haben, sagt Helmut Morsbach. „Selbst meine Patentante, seine Lieblingsschwester nicht.“ Vielleicht habe es mit einer unglücklichen Liebe zu tun gehabt: „Unsere Hunde hießen jedenfalls alle Wanda.“

1958 übernahm Helmut Morsbach den Kotten von seinem Vater. Lange schliffen sie vor allem Messwerkzeuge wie Tischlerwinkel und Heckenscheren. Fünf Heckenscheren-Hersteller habe es in Cronenberg gegeben. Er erinnert sich, wie es ihnen erstmals gelang, den großen Scheren einen Wellenschliff zu verpassen: „Das hat sich schnell herumgesprochen.“

Irgendwann lösten die Fleischercuttermesser für große Fleischmaschinen die Heckenscheren ab. Und dann war auch das kein Geschäft mehr, das eine Familie ernährte. Das war Helmut Morsbach früh klar, deshalb hat er seinen Söhnen zu anderen Berufen geraten.

Doch solange sein Betrieb lief, hatte er stets viel Besuch. Oftmals wurden die Räume und das Gelände zum Feiern genutzt. Unter anderem Gottfried Gurland und auch Johannes Rau haben die urige Atmosphäre gern genutzt.

1988 verkaufte er den Manuelskotten an die NRW-Stiftung. Und genoss mit seiner Frau Ruth den Ruhestand. Viele Jahre war Angeln sein Hobby, für das er große Reisen unternahm, bis in die USA und Russland, seine Frau hat ihn oft begleitet: „Vier Erdteile haben wir betreten“, sagt er stolz. Inzwischen führen die Reisen nicht mehr ganz so weit. Nach Rüdesheim, wo das Paar sich einst verlobte, fahren sie noch gern. An seinem runden Geburtstag zog er es ebenfalls vor, nicht zu Hause zu sein. Zu viel Trubel wäre das gewesen — denn Gratulanten hatte Helmut Morsbach reichlich.