Designer Hans Günter Schmitz aus Wuppertal Schmitz: „Briefmarken waren mein Trainingslager“

Von Kafka über Adenauer bis zum DFB: Designer Hans Günter Schmitz hat seit 1983 an die 40 Postwertzeichen entworfen.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Die Gesamtauflage seiner Werke ist atemberaubend. 900 Millionen Exemplare dürften es sein. Hans Günter Schmitz lächelt ob der Zahl. Denn obwohl die meisten Deutschen — sofern sie mal einen Brief verschickt und diesen frankiert haben — Schmitz’ Kunst schon einmal in Augenschein nehmen — und sogar abschlecken — durften, wissen wohl die wenigsten, wer dahinter steckt. Obwohl: Das Wort Künstler hört der 62-Jährige gar nicht so gerne. „Ich bin Kommunikationsdesigner“, sagt der gebürtige Stolberger, der seit 1983 an die 40 Entwürfe für Briefmarken in Deutschland eingebracht hat. Ein Buch stellt jetzt seine Arbeit vor (siehe Kasten).

„Meine Berufung ist es, Dinge verständlich zu machen“, sagt Schmitz. Schon beim Entwurf müsse man darauf achten, „für wen man was macht“. Seine Agentur habe sich unter anderem auf Technologieprodukte spezialisiert, sagt er, und zeigt auf dem Monitor ein paar aktuelle Projekte. Auf den ersten Blick einfache Schalter, daneben ein „Smart Home Terminal“, über das Leute verschiedene Geräte steuern können. „Es geht darum zu verdichten, auf den Punkt zu kommen.“ Einen Fahrkartenautomaten müsse man zum Beispiel vom Design so aufbereiten, „dass er Leuten nützt“, betont Schmitz. Die Arbeiten der Agentur sind vielfach ausgezeichnet worden.

Und wie passen Briefmarken in diese Reihe? Schmitz schmunzelt. „Die waren immer mein Trainingslager.“ Denn wofür, wenn nicht gerade bei Briefmarken sei es wichtig, auf kleinem Raum etwas verständlich zu machen? Das sei schon bei seinem Erstlingswerk so gewesen. „Ich kann ja nicht auf einer Briefmarke das Werk von Kafka nacherzählen“, erinnert sich Schmitz an die Marke zum 100. Geburtstag des Dichters 1983.

Sein Professor an der Uni Wuppertal hatte ihn damals ermutigt, sich einmal beim Wettbewerb des Finanzministeriums — das ist bis heute offizieller Herausgeber der Briefmarken in Deutschland — zu beteiligen. Schmitz’ Entwurf wurde angenommen. „Das Motiv hatte ich damals in Originalgröße skizziert.“ Sprich: sehr klein. Die Prager Silhouette im Hintergrund, der Schriftzug Kafka als beherrschendes Element. Das kam an.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nahm die Briefmarke sogar als Illustration für Marcel Reich-Ranickis blatthohe Würdigung Kafkas — ohne Schmitz als Urheber zu nennen. Briefmarkenmotiv der Deutschen Bundespost stand drunter. Ein wenig geärgert habe ihn das schon, sagt Schmitz. „Das gehört eigenlich zum guten Ton.“ Dass viele gar nicht wissen, dass er Briefmarken designt, nimmt er heute aber „ganz cool hin“. Man dürfe sich ja auch nicht zu wichtig nehmen, sagt er lächelnd.

Briefmarken entwerfen, so schreibt er in seinem Buch, „ist keine Kunst. Es ist viel schwerer“. Briefmarkengestaltung sei immer Auftragsarbeit. „Die Vermittlungsfunktion steht vor der Selbstverwirklichung.“ Die Entwurfsarbeit dafür kenne „keinen Ort und keine Zeit“. Unter der Dusche, beim Essen, im Zug und ja, natürlich auch am Schreibtisch.

Die Themen, die er auf den Marken abbildete, waren breit gestreut: Adenauer, die Expo 2000 oder auch das 100-jährige Bestehen des Deutschen Fußballbundes 1999 zierten die nur wenige Quadratzentimeter großen, gezackten Endprodukte. „Die DFB-Marke war die erste runde Briefmarke, die in Deutschland erschienen ist“, erinnert er sich. Auch die Marke zum 100. Geburtstag der Schwebebahn stammt von ihm. Das ausgerechnet ein Wuppertaler — Schmitz wohnt seit Beginn seines Studiums 1974 im Tal — eine Wuppertaler Marke gestalten durfte, sei ein Zufall gewesen. „Aber ein schöner.“

Einen Entwurf, den er gerne gedruckt gesehen hätte, bekam er allerdings nicht durch. In den 90er Jahren hatte er vorgeschlagen, beim Thema „Kindermarke“ einfach weiße Briefmarken herauszugeben. „Die Kinder hätten die Fläche dann so bemalen können, wie sie es am liebsten gewollt hätten.“

Die bislang letzten von Schmitz entworfenen Marken erschienen 2011 und zeigten Motive aus Zeichentrickfilmen von Loriot. Den großen Humoristen hatte Schmitz noch kennenlernen dürfen, wie er ein klein wenig stolz erzählt.

Die bunten Motive, die Schmitz auf den Marken präsentierte — unter anderem die berühmte Badewannen-Szene und der Frühstücksei-Dialog — waren aber nicht seine Favoriten. Im Buch sind auch Schwarz-Weiß-Entwürfe von Schmitz zu sehen. „Die hätte ich lieber gesehen.“ Das sah der Kunstbeirat aber anders.

Dem Gremium, das wie eine Jury für das Finanzministerium darüber entscheidet, welcher Entwurf letztendlich in den Druck geht, gehörte Schmitz dann selbst in den vergangenen Jahren an. „Es war schön, dann auch mal die andere Seite kennenzulernen.“

Selbst entwerfen will er in Zukunft nicht mehr. „Das Thema ist eigentlich abgeschlossen für mich.“ Briefmarken aus Wuppertal werde es ja in Zukunft weiter geben, sagt Schmitz und verweist auf die stolze Reihe von Briefmarkendesignern aus unserer Stadt (siehe Kasten).

Auch ihm habe diese Arbeit, auch wenn sie nie seine Hauptaufgabe war, immer viel Spaß gemacht, betont er. Die Briefmarke als solche sei in Zeiten von E-Mails, Whats-App und Co. zwar von der Funktion her vielleicht ein Auslaufmodell, als Marke an sich jedoch ein „echter Kulturträger und Botschafter eines Landes“.