Wirtschaft Homeoffice: Automobil-Zulieferer haben Angst vor Cyberangriffen

Wuppertal · Kurzarbeit, neue Abläufe und digitale Unsicherheit. Wirtschaftsförderer Stephan A. Vogelskamp berichtet der WZ von der Verunsicherung der Branche.

Stephan A. Vogelskamp.

Foto: Christian Beier

Die Coronakrise hat die 250 Automobil-Zulieferer im Bergischen hart getroffen. Für die Unternehmer ergeben sich in der Folge eine ganze Reihe von Problemfeldern und Herausforderungen. Die WZ sprach mit dem Bergischen Wirtschaftsförderer Stephan A. Vogelskamp über die Lage in der Branche.

Ein ganz großes Thema sei Cyberkriminalität. Der Geschäftsführer der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft berichtet: „Tausende von Mitarbeitern sind im Home-Office. Die Firmen waren darauf teilweise nicht vorbereitet.“ So würden sich Sicherheitslücken ergeben. „Die Einfallstore sind endlos offen gerade“, beschreibt Vogelskamp ein Thema, das die Wirtschaft auch abseits der Automobilindustrie betrifft. Jetzt schon seien ihm drei konkrete Hacker-Angriffe im Bergischen bekannt.

Die Sorge der Zulieferer sei, dass sich Kriminelle jetzt Zutritt verschaffen und die Unternehmen kurz vor dem erneuten Hochfahren des Betriebs mit einem Angriff bedrohen. Laut Vogelskamp fordern die Kriminellen ein Lösegeld in Bitcoin und machen Ernst, wenn dieses nicht zum geforderten Datum bezahlt wird. Dabei könne ein erfolgreicher Angriff ein Unternehmen in etwa so lahmlegen wie ein Brand in der Produktion. Vogelskamp rät Betroffenen: „Schalten Sie sofort das Landeskriminalamt ein.“

Die Wuppertaler Polizei berichtet auf WZ-Nachfrage von einer weiteren Masche, der sich Kriminelle in diesen Tagen bedienen. So werden derzeit E-Mail-Konten von Geschäftsführern gehackt, so dass die Angreifer Mitarbeitern „vertrauliche“ Nachrichten von der Adresse des Chefs zusenden können. In den falschen E-Mails gehe es laut Polizeisprecher Jan Battenberg um ein „geheimes Geschäft“, das es erforderlich mache, sofort eine größere Summe Geld auf ein bestimmtes Konto zu überweisen. Vogelskamp vermutet, dass auch den Kriminellen in Corona-Zeiten gewisse Einkommenswege weggebrochen sind und sie daher ihre Internet-Aktivitäten ausweiten.

Eine zweite Corona-Welle in
China wäre „Schlag ins Kontor“

Die Sorgen der Branche, die sich derzeit fast flächendeckend in Kurzarbeit befindet, enden jedoch nicht beim Thema digitale Sicherheit. Viele Unternehmen gehen derzeit davon aus, dass sie nach der Krise nicht mit den gleichen Kapazitäten wieder einsteigen können. Die Unternehmen würden derzeit Konzepte entwickeln, wie in der Produktion mit mehr Abstand zueinander gearbeitet werden kann. Das sei jedoch auch mit Umbauarbeiten verbunden.

Die Frage sei auch, wie reibungslos ein Anlaufen der Produktion funktionieren würde. „Das Gesamtkonstrukt könnte schnell ins Wanken geraten“, sagt Vogelskamp, der Vorstandsmitglied von automotiveland.nrw ist. Beispielsweise könnte es die hiesige Wirtschaft weiter blockieren, wenn andere Länder noch länger heruntergefahren bleiben. „Wir haben große Sorge um China“, sagt der Geschäftsführer. Im Moment befinde sich das Land fast in der Normalauslastung – aber das muss nicht so bleiben. Vogelskamp sagt: „Eine zweite Corona-Welle wäre ein Schlag ins Kontor für die gesamte Branche.“

Als sei das alles nicht genug, müssen sich die Zulieferer auch mit der Frage auseinandersetzen, ob von den großen Automobilherstellern nicht Regressforderungen wegen der zurückliegenden Produktionsausfälle anstehen. Vogelskamp hält das nicht für ausgeschlossen.

Am Ende steht für die Automobilzulieferer dann noch die Frage, wie sich der Auto-Markt nach der Krise auf Seiten des Endverbrauchers entwickelt. In einer schweren wirtschaftlichen Lage könnten die Verkaufszahlen einbrechen. Vogelskamp hofft, dass die Bundesregierung mit einem grünen Konjunkturpaket zumindest den Verkauf von E-Autos ankurbelt. Ansonsten befürchtet der Wirtschaftsförderer „vernichtende Rabattschlachten“.