In Evelyns Garten-Bibliothek
Evelyn Steudel lädt jeden Bücherfreund zum Stöbern, Schmökern und Tauschen in ihren Garten ein.
Wuppertal. Seit zwei Wochen schmückt Evelyn Streudels Garten ein neues Objekt - kein Gartenzwerg, Teich oder dergleichen, sondern ein Bücherregal. Genauer: ein offener Bücherschrank. Er steht direkt am Gehweg und wer an ihm vorbeigeht kann folgendes lesen: "Alle Bürger und Gäste der Stadt dürfen rund um die Uhr kostenlos Bücher einstellen, tauschen, ausleihen und behalten."
Die Idee kam Evelyn Steudel beim Fernseh schauen: "Ich habe einen Bericht über einen offenen Bücherschrank in einer Bonner Telefonzelle gesehen und fand’s super." Ohne lange zu überlegen, zimmerte Ehemann Jörg (42) einen alten Küchenschrank um und stellte ihn im Garten auf. "Da mussten wir die Stadt gar nicht erst um Erlaubnis bitten", erklärt Steudel. Nun galt es noch das neue Prachtstück zu bestücken. Kein Problem: "Wir haben den ganzen Dachboden voller Bücher", erzählt Evelyn. Sie hat Kochbücher, Romane und Reiseführer aussortiert, die beiden Söhne Leander (9) und Kilian (8) haben ihrer Mama alte Kinderbücher für den Schrank gespendet.
Nun hat Wuppertal also seinen ersten offenen Bücherschrank an der Heinrich-Heine-Straße. "Das wird jetzt schon total gut angenommen", sagt Steudel. Der Beweis: Viele Bücher sind weg und noch viele mehr dazu gekommen. Inzwischen stehen 180 Bücher im Regal. Keine alten Schinken, sondern teilweise nagelneue und aktuelle Bücher von Charlotte Roche, Rosamunde Pilcher oder Charlotte Link. "Ich gucke jeden Tag, was sich so tut", berichtet Evelyn Steudel, die seit sechs Jahren in Vohwinkel lebt: "Ich hätte die Bücher auch auf dem Flohmarkt verkaufen können, aber warum soll man nicht mal etwas Schönes tun?" Sie erlaubt Fremden ausdrücklich auf ihrer Gartenbank direkt neben dem Schrank zu verweilen und zu lesen. "Die Leute klingeln und fragen nach, ob sie wirklich Bücher nehmen dürfen", sagt die Wahl-Vohwinkelerin. Kinder haben weniger Berührungsängste: Sie schnappen sich Kinderbücher und schmöckern auf dem Mäuerchen. Angst vor Vandalismus hat Evelyn Steudel nicht: "Ich traue den Menschen zu, dass sie gut mit so einer Idee umgehen." Ihr Wunsch: Noch mehr offene Bücherschränke in der Stadt.