Kirchengebäude beherbergt nun eine Aufzugteile-Firma

Jürgen Andretzky produziert im früheren Gebäude der Hatzfelder Kirche. Auch seine Wohnung hat der Konstrukteur dort bezogen.

Foto: Stefan Fries

Ob es eine höhere Fügung war, dass Jürgen Andretzky auf ein altes Kirchengebäude stieß, als er auf der Suche nach neuen Räumen für seine Aufzugteile-Firma war? Der 57-Jährige sieht zumindest das Glück am Werk: „Das ist für mich wie ein Lottogewinn“, sagt er.

Der Immobilienmarkt gerade für Firmen sei bekanntlich leergefegt, so Andretzky. In einem Internetportal für „Sonderimmobilien“ fand seine Frau im Frühjahr 2016 das zum Verkauf stehende Gebäude der Hatzfelder Kirche an der Hatzfelder Straße, erzählt Andretzky. „Ich hatte sofort Bilder im Kopf, wie ich den Kirchenturm in einen Aufzugschacht für meine Experimente umbauen könnte“, erinnert er sich. Der 57-Jährige konstruiert elektrische Schaltgeräte für Aufzüge und stellt sie selbst her. Nach einer Besichtigung habe er sich endgültig in das Gebäude verliebt. „Auch das Atrium hat einen tollen Charme“, findet Andretzky.

Umso größer war die Freude bei dem 57-Jährigen, als er tatsächlich den Zuschlag erhielt. Sofort begann er mit der Planung. Im Atrium sollte der Wohnbereich liegen, im ehemaligen Jugendraum die elektrische Produktion, im Kirchenschiff das Büro, abgetrennt von der Aufzugsmontage. Während die Gemeinde Stück für Stück auszog — die Kirche wurde im Sommer 2017 entwidmet, die Glocken entfernt — zog Andretzky Stück für Stück ein. Noch bis zum Herbst fanden die Jugendgottesdienste der Evangelischen Kirchengemeinde in der Hatzfelder Kirche statt. Und Andretzky zog mit 300 Kartons, 15 Stahlschränken, Elektronik und Maschinen sowie mit seinem privaten Hab und Gut ein.

Sein Einzug löste vielerlei Reaktionen in Hatzfeld aus. Er habe böse E-Mails erhalten und jemand habe zwischenzeitlich die Beleuchtung des Turms ausgebaut, erzählt Andretzky. „Es stehen aber auch immer wieder neugierige Leute vor der Tür, die wissen wollen, was nun aus dem Gebäude geworden ist“, sagt er. Wenn er es gerade einrichten könne, zeige er den Besuchern gerne einen Teil der Räume, so Andretzky.

„In der Gemeinde waren nach dem Verkauf der Hatzfelder Kirche viele Menschen enttäuscht und traurig“, sagt Pfarrer Christoph Nüllmeier. Er könne das gut verstehen, denn die Kirche sei ein Ort voller Erinnerungen für viele Menschen, zum Beispiel für diejenigen, die in der Hatzfelder Kirche konfirmiert worden seien. Doch die Aufgabe des Gebäudes, in dem die Gemeinde 2014 zum letzen Mal einen Gottesdienst feierte, sei angesichts sinkender Gemeindegliederzahlen nicht zu verhindern gewesen. „Wir haben uns früh und gut auf die Veränderungen eingestellt, viele Gemeinden beginnen erst jetzt mit den Fusionen“, sagt Nüllmeier. Im Übrigen habe es Entwidmungen von Kirchen „auch vor 20 oder 30 Jahren schon gegeben“.

Nüllmeier und seine Kollegin Martina Köster-Schneider freuen sich zudem, dass voraussichtlich im September das neue Gemeindezentrum am Kindergarten Wilkhausstraße eröffnet wird. „Gerade in dieser zentralen Lage können wir sicher neue Leute hinzugewinnen“, hofft Nüllmeier. Die Gottesdienste seien aber auch jetzt schon genauso gut besucht wie vorher. Beim Verkauf der Hatzfelder Kirche habe man den Vorteil gehabt, dass sie kein klassischer Kirchenbau gewesen sei und deshalb leichter anders genutzt werden könne, sagt er.

Beim Hatzfelder Bürgerverein trauert man der alten Kirche auch ein wenig hinterher. „Es ist schade, weil die Hatzfelder einen großen Mittelpunkt der Hatzfelder Geschichte verloren haben“, sagt der Vorsitzende Herbert Fleing. „Aber wir sind froh, dass der Turm als Wahrzeichen des Stadtteils erhalten bleibt.“

Herbert Andretzky macht sich nun erst mal weiter Gedanken darüber, was er wo im alten Kirchengebäude unterbringt. „Diese Baustelle wird mich bestimmt noch vier oder fünf Jahre begleiten“, sagt er.