Krebshilfe Wuppertal: „Wir sind Wegbegleiter“
Am Montag ist Weltkrebstag. Jedes Jahr erkranken allein im Tal rund 2000 Menschen an Krebs. Heike Schiller berät seit 17 Jahren Erkrankte und deren Angehörige.
Frau Schiller, sie arbeiten seit 17 Jahren bei der Wuppertaler Krebsberatungstelle. Wann suchen die Menschen Sie auf?
Schiller: Das sind ganz unterschiedliche Situationen. Oft direkt nach der Diagnose, aber auch während des ganzen Krankheitsverlaufs und bei Wiedererkrankungen. Auch die Angehörigen, die nämlich häufig vergessen werden, können zu uns kommen.
Wer kommt denn zu Ihnen?
Schiller: Zu 70 Prozent sind es die Erkrankten selbst, zu 30 Prozent die Angehörigen. Nach Geschlechtern sind es 80 Prozent Frauen und 20 Prozent Männer.
Da Männer sich schwerer tun, über ihre Probleme zu reden.
Schiller: Könnte man annehmen, doch warum genau wissen wir nicht. Männer kommen meistens wegen sozialrechtlichen Fragen, also alles was mit Papieren, Anträgen, wie zum Beispiel zur Schwerbehinderung zu tun hat. Häufig kommen jedoch auch die Frauen der erkrankten Männer zu uns und lassen sich beraten.
In Wuppertal gibt es jährlich rund 2000 Neuerkrankungen. Ist der Beratungsbedarf in den letzten Jahren gestiegen?
Schiller: Nicht jeder der krebskrank wird, hat automatisch auch Beratungsbedarf. Im Jahr beraten wir rund 450 Personen. Der Beratungsbedarf ist jedoch deutlich gestiegen und wird sicherlich auch weiter ansteigen.
Woran liegt das?
Schiller: Vor allem an den verkürzten Liegezeiten in den Kliniken. Bei Brustkrebs liegt man heute in der Regel nur drei, vier Tage im Krankenhaus und wird dann entlassen. Das hat mit einer Kostenreduzierung zu tun. In den nächsten Jahren wird wohl auch immer mehr in den ambulanten Bereich verlegt, so dass Behandlungen wie eine Chemotherapie insgesamt länger dauern. Die Folge daraus ist ein Anstieg der Belastungen, denn nach und nach kommen ja erst die Probleme.
Sie bieten Informationen, psychologische und soziale Beratung an. Welcher der drei Bereiche wird denn am stärksten genutzt?
Schiller: Die größte Teil kommt zuerst wegen der sozialrechtlichen Beratung. Aber alle drei Bereiche hängen auch zusammen. Eine Krebserkrankung hat viele Folgen. Wenn es jemand finanzielle Einbußen hat, dann leidet zusätzlich das Wohlbefinden.
Sie möchten die Lebensqualität der Betroffenen verbessern oder zumindest erhalten. Wie erreichen sie das?
Schiller: Es geht zuerst um eine Reduzierung der psychosozialen Belastung. Die Betroffenen sollen wieder mehr Freiraum bekommen, ihr Leben als wertvoll zu empfinden. Wir sind Wegbegleiter, die versuchen den Erkrankten den Rücken frei zu halten. Dadurch bekommen die Erkrankten das Gefühl, selber etwas tun zu können und der Krankheit nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Wir stoßen aber nur an, was sowieso in den Menschen ist.
Sie persönlich haben tagtäglich mit dem Leid anderer Menschen zu tun. Wie verarbeiten Sie selbst die Gespräche?
Schiller: Ich habe monatlich Supervision mit Kollegen, um alles besser zu verarbeiten. Aber meine Arbeit stellt für mich eigentlich keine übermäßige Belastung dar. Ich sehe es eher so, dass ich auch viel geschenkt bekomme. Das Leid ist natürlich da, aber ich sehe auch ganz viel Leben. Das nehme ich auch auf und sauge so meine Motivation daraus.
Gibt es Fälle, die sie ganz besonders mitnehmen?
Schiller: Natürlich, vor allem bei Menschen, die ich über längere Zeit begleitet habe. Da ist eine besondere Tiefe dabei und wenn jemand dann stirbt, ist es schon heftig. Das ist normal, dass dies auch über die Bettdecke krabbelt. Wenn ich das jedoch nicht verarbeiten könnte, hätte ich in meinem Job nichts zu suchen. Aber meine Arbeit erfüllt mich auch nach 17 Jahren und ich kann weiterhin noch viel geben.