Kultur Krux-Kollektiv lädt mit „Walden“ zur Reflexion ein
Wuppertal · Das Gast-Ein-Personen-Stück feierte in der Börse an der Wolkenburg seine Uraufführung.
„Wir brauchen Ihre Hilfe! Jetzt. Dankeschön.“ Spricht’s und verschwindet still im Tann. Der Adressat: Die Bäume. Eine skurrile Szene aus „Walden“, die typisch ist für die Collage, die jetzt in der Börse gastierte. Ein anrührendes Stück Theater mit Amelie Barth über das Einswerden mit der Natur.
Das Krux-Kollektiv aus Köln hat zu dem gleichnamigen Buch von H.D. Thoreau eine Bilderreihe für eine Person entwickelt. Ab 1845 wohnte dieser Schriftsteller zwei Jahre am Walden-See in Massachusetts in einer selbst gebauten Blockhütte. Seit seinem Buch dazu gilt er als Pionier des einfachen Naturlebens. Doch feierte er bloß den Rückzug? Für Regisseurin Elsa Weiland steht nun fest: „Es war nicht einfach eine Flucht.“
Den Zugang zur Schöpfung zeigt der Einstünder auf verschiedene Art – mal vermittelt, mal ganz unmittelbar. Wie auch den Wald, der als massiver Inbegriff der Natur im Mittelpunkt steht, hier sicht- und spürbar gemacht wird. Im konkreten Raum an der Wolkenburg gibt es ein reduziertes wie wirksames Bühnenkonzept: keine fingierten Kulissen-Stämme, dafür akkurat hängende Latten, die so ästhetisch sind wie unverkennbar echt aus Holz.
Besagte Szene wiederum kommt von der Leinwand: Für die Aufnahmen zog das Team ins Grün des rheinischen Umlands, von wo nun Barth zwischen Bäumen agiert. Direkt auf der Bühne tritt Tanz und eingespielter Sound hinzu. Mühelos und ansprechend schlägt die Schauspielerin bei alldem den Bogen. Wie begegnet man der Wildnis? Fürs Krux-Kollektiv scheinen wichtige Facetten: Spielen, Staunen und Aneignen. Da nimmt der Neuankömmling tastend einen Ast zur Hand und erfindet mit ihm Späße, dann wieder entdeckt die Figur in der Natur das Sinnliche: Weite Bewegungen Barths á la Tanztheater laufen synchron zu einer skurrilen Filmstelle, die sie beim Essen, man möchte sagen: genüsslichen Fressen zeigt.
Die Ehrfurcht steht
im Kontrast zum Übermut
Eine andere Haltung gegenüber dem Element ist die Ehrfurcht: Durchaus in Kontrast zum Übermut vorher blickt die Figur stumm in die Höhe und ergeht sich in Staunen, kindlichem fast. „Wir haben in der Erde Wurzeln geschlagen – und den Himmel vergessen.“ „Aneignen“ wiederum tritt hervor, wenn sie sich ihr neues Umfeld zunehmend zu eigen macht, nicht erobernd, aber in selbstbewusstem Einklang: Die Hütte etwa hat sie „selbst gebaut. Das ist meins.“
Das Stück war zur Uraufführung an der Studiobühne Köln geplant, dort noch mit einer anderen Schauspielerin, bis der Lockdown die Premiere ausbremste. Wer mochte, konnte „Walden“ nach langer theaterloser Zeit zum Anlass nehmen für etwas Reflexion: Gab es zuletzt Kultur bloß per Streaming, ist hier das Filmisch-Vermittelte eher Begleitung. Der wache Blick ins Publikum und dessen Lachen, nackte Füße auf dem Bühnenboden: Das ist alles ganz echt und im Raum.