Ein-Personen-Stück „Walden“ Die Suche nach einer anderen Art zu leben

Sie hatte mit der Absage gerechnet. Umso größer war die Freude, als Regisseurin Elsa Weiland bei ihrem Anruf in Wuppertal erfuhr, dass sie eine echte Premiere feiern darf. Eine, wenn nicht die erste Uraufführung eines Theaterstücks in Coronazeiten.

 Erarbeiten das Ein-Personen-Stück „Walden“ in der Börse: Elsa Weiland (links) und Amelie Barth (rechts).

Erarbeiten das Ein-Personen-Stück „Walden“ in der Börse: Elsa Weiland (links) und Amelie Barth (rechts).

Foto: Schwartz, Anna (as)

Nicht als emotionsarmer Livestream oder Video im Netz, sondern mit, wenn auch abstandshalber weniger, Zuschauern. „Walden“ ist eine Kooprodukton von Krux-Kollektiv, Studiobühne Köln und der Börse Wuppertal. Das Projekt wurde vor anderthalb Jahren begonnen und gewann zuletzt rasant an Aktualität.

Wenn sich Amelie Barth in dem leeren Raum mit den hohen Fenstern im ersten Stock des Kulturzentrums an der Wolkenburg in eine naturnahe Welt versetzen will, braucht es viel Einfühlungsvermögen, Phantasie und atmosphärisch dichte Musik. Die 27-Jährige legt sich auf den Boden, lässt Klänge und Bewegung in den Körper fließen. Langsam richtet sie sich auf, öffnet die Augen, blickt suchend um sich. Spricht schließlich in die Ferne: „Ich will nicht das Leben, das kein Leben ist. Ich will tief leben.“

Seit einem Monat probt die Schauspielerin mit bayerischen Wurzeln und Kölner Wohnort nun in der Börse, eins zu eins, zusammen mit Elsa Weiland. Eine intensive Zeit und „ein Geschenk“ für beide, das das coronabedingte „identitätbeschneidende Berufsverbot“ beendete und über die Entwicklung des Ein-Personen-Stücks auch die eigene Lebenseinstellung beeinflusste. Barth: „Ich achte seit vielen Jahren auf meinen Footprint. Das auf die künstlerische Ebene zu tragen, erweitert meine Perspektiven.“

„Walden“ ist ein collageförmiges Stück, das auf dem Buch von Henry David Thoreau (1817-1862) basiert, das dieser vor 170 Jahren schrieb. Der amerikanische Nationaldichter hatte eine Art Aussteigerexperiment gewagt und etwa zwei Jahre im Wald gelebt. Seine Versuchsanordnungen fließen nun zusammen mit Texten anderer, Videos und Musik in ein gut einstündiges Stück ein, das in einem schlicht-abstrakten Bühnenbild spielt. „Wir erzählen keine lineare Geschichte, sondern stellen philosophische Gedanken, Erlebnisse und Kritik bilderbuchartig nebeneinander, die wie Flashlights auf das Leben im Wald schauen“, erklärt Weiland. Amelie Barth spürt sich in das Szenengerüst ein, der Zuschauer knüpft an und entwickelt weiter.

Der gesellschaftliche Wandel beginnt bei jedem einzelnen

Klimawandel, gesellschaftliches Engagement und Natur sind aktuelle Schlagworte. Ihnen gemein ist die Suche des Menschen nach einer anderen Art zu leben. Eine Suche, die nicht zur Abkehr von der (Konsum-)Gesellschaft führen müsse, erklärt die Regisseurin, sondern zu einem Rückzug zwecks Außenbetrachtung und Erkenntnisgewinn, die wiederum in die Gesellschaft eingebracht werden. „Wir müssen unser Verhältnis zur Natur ändern, Respekt für sie entwickeln.“ Der Lockdown durch die Coronakrise verstärkte diesen Ansatz, „weil er einen auf sich selbst zurückwarf und die Lebensführung hinterfragte“, so die 26-jährige gebürtige Wuppertalerin. Außerdem zeige die Pandemie, wie stark die Natur sei. Sie bleibe, während die Menschen aussterben, wenn sie so weitermachen. Die Kunst erweitere die intellektuelle und wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema um einen emotionalen Zugang. Und erlaube eine gesellschaftspolitische Aussage, betont Weiland.

Aus der erfolgreichen Produktion „Der Zwang“ in der Studiobühne entstand 2018 das Krux-Kollektiv. Ein etwa zehnköpfiges Team, das spartenübergreifend arbeitet und für Projekte weitere Künstler dazu holt. Auch „Walden“ führt mehrere Ausdrucksformen zusammen, allen voran Videoaufnahmen. Schafft so eine kleine Welt, die dazu anregen soll, dass der einzelne sich selbst hinterfragt und so den gesellschaftlichen Wandel einleitet.