Aktion 40.000 Kultur darf kein Luxus sein
Mitarbeiter der Bühnen zeigen Ratsmtigliedern ihren Arbeitsplatz. Ein Teil einer bundesweiten Aktion.
In dem Moment, da die königliche Robe mit dem vermeintlichen Hermelinbesatz über seinen Schultern liegt, nimmt Alexander Hobusch unbewusst Haltung an. „Sehen Sie, das ist die Magie der Kostüme“, freut sich Elisabeth von Blumenthal. Die Leiterin der Kostümabteilung und Herrengewandmeisterin an der Oper Wuppertal ist mit dem jungen SPD-Ratsherr gemeinsam im Haus an der Wittensteinstraße unterwegs. Kunstschaffende und Volksvertreter wollen einander näher kommen – durch Information und Austausch. Als Teil der Aktion „40 000 Theatermitarbeiter und Theatermitarbeiterinnen treffen ihre Abgeordneten“.
Seit 2016 gibt es die Aktion, die vom Bund der Szenografen, der Dramaturgischen Gesellschaft und dem Ensemble Netzwerk getragen wird. Im Herbst 2020 machte auch der Wuppertaler Lokalverband erstmals mit, schrieb Abgeordnete in Stadt, Land und Bund an, um mit ihnen vor der Kommunalwahl über die Situation der Kultur in der Corona-Krise zu sprechen.
2021 sollte eine weitere, breiter angelegte Runde folgen, die auch die technischen künstlerischen Berufe einschließen und durch Führungen unterfüttert werden sollte. Und die sich auf die Kommunalpolitiker fokussierte – vor dem Hintergrund der anstehenden Erhöhung des Betriebskostenzuschusses, von der viel für die Zukunft der Wuppertaler Bühnen abhängt. Also auf diejenigen, die demnächst über diese Erhöhung zu befinden haben.
Opern-Inspizient Lauren Schubbe vom Lokalverband der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger: „Wir haben 69 Stadtverordnete angeschrieben, ein Drittel hat zugesagt. 22 Mitarbeiter aus dem Haus nehmen teil.“ Heißt: Sie führten die Ratsmitglieder in kleinen Gruppen durch die Oper, sprachen am Arbeitsplatz über ihre Arbeit.
Eine persönliche Begegnung mit dem Bekenntnis zu Kultur und Staatstheater erhoffte sich Schubbe, die Menschen mit und ohne Bezug zum Theater für die Konditionen der dort Arbeitenden sensibilisieren sollte. „Wir wollen weder jammern noch betteln, nur sachlich zeigen, was geht und was nicht.“
Elisabeth von Blumenthal arbeitet in ihrem Traumberuf. Die 54-jährige Wuppertalerin ist seit 1991 an der Oper, ihr Team umfasst 30 Mitarbeiter, viele in Teilzeit. Sie führt Hobusch und Jonas Klein, auch er frischgebackener SPD-Ratsherr, durchs Haus, steht mit ihnen auf der Bühne, lässt sie in Kostüme schlüpfen, über Stoffe streifen. Sie erklärt dabei ihre Arbeitsabläufe, beantwortet Fragen.
So wird der Aufwand deutlich, den insbesondere Opernproduktionen bedeuten – 45 Menschen auf der Bühne brauchen 900 Kostümteile, rechnet sie vor. Gefertigt werden müssen diese in kürzester Zeit, da sie selten vor Probenbeginn zum Zuge kommt.
Noch mehr Aufführungen führen zu einer Überforderung
Die gewollte Opulenz müsse zugleich stets im Kostenrahmen bleiben. Weshalb die Wünsche des Kostümbildners erstmal im Fundus und als letztes durch Neuanfertigung befriedigt werden. Durch eine kleine Mannschaft aus „Überzeugungstätern“, die am Rande der Belastbarkeit wirken. Blumenthal sinnt stets nach technischen Verbesserungen und ist auf Aushilfen angewiesen.
Aus den 400 Mitarbeitern der Oper und 42 ganzen Stellen in ihrer Abteilung in den 1990er Jahren wurden mittlerweile 98 Mitarbeiter und 20 ganze Stellen. Aus zwei Spielstätten (Oper und Schauspielhaus) wurde eine, und wieder zwei, als das Theater am Engelsgarten hinzukam. Ohne dass auch die Mitarbeiterzahl aufgestockt wurde.
Gleichwohl habe sich die Zahl der Neuproduktionen nicht verändert, werde teilweise die Vorderbühne mitgenutzt, um zwei Stücke gleichzeitig aufbauen zu können, so Blumenthal. Die stete Forderung der Unternehmensberater nach mehr Aufführungen kommt da einer Überforderung gleich.
Die Nachwuchspolitiker, der 28-jährige Jurist Hobusch und der 23-jährige angehende Lehrer Klein, sind beeindruckt. Auch wenn ihre Arbeitsschwerpunkte im Rat nicht im kulturellen Bereich liegen, sie nicht zu den regelmäßigen Theatergängern zählen, sind sie doch von der Notwendigkeit der drei Sparten der Bühnen überzeugt. „Wir sind glücklich, wenn Sie glücklich und gut ausgestattet sind“, sagt Hobusch und überlegt, wie man junge Menschen für das Theater gewinnen kann.
Auch Klein betont, dass Kultur nicht als Luxus, sondern als Ort, an dem Bildung erfahren wird, angesehen werden müsse. Dennoch müsse man auch in der Kultur sparen, wenn man Schwimmbäder schließe. Gedanken, die auch Blumenthal kennt, die als Gewerkschafterin einerseits für Tariferhöhungen ist, sich andererseits fragt, wie man sich die leisten könne. Sie beneidet die Politiker nicht, die entscheiden müssen, was geht und was nicht.
Am Ende steht ein Bekenntnis: „Kultur darf kein Luxus sein. Sie gehört in unser Leben und unsere Stadt.“