Amici del canto über seine ersten Konzerte nach dem Lockdown und das Leben in der Coronakrise. Weil das Leben ohne Singen sinnlos ist
Amici del canto über seine ersten Konzerte nach dem Lockdown und das Leben in der Coronakrise.
Sie haben ihren Humor nicht verloren, genauso wenig ihren Optimismus. „Ein Leben ohne Chorproben ist möglich, aber sinnlos“, sagt Christa Kosin entschieden. Die leidenschaftliche Sängerin gehört dem Vorstand des Chores „amici del canto“ an und wurde in den letzten Monaten unfreiwillig zur Expertin in Sachen Coronaschutzmaßnahmen. Nun aber bereitet sie sich wie die anderen 33 Sängerinnen und Sänger auf Konzerte vor. Deren programmatischer Titel lautet „I will sing“.
2008 wurde der Kammerchor der Freunde des Singens gegründet, er widmet sich in erster Linie anspruchsvoller A-capella-Literatur. Seit Februar 2012 leitet Dennis Hansel-Dinar das Ensemble, das derzeit aus 34 Mitgliedern, hälftig Frauen und Männern, besteht, darunter viele Schul- und Kirchenmusiker und chorerfahrerne Menschen, die einen nichtmusikalischen Beruf ausüben. Die Altersspanne reicht von Anfang 20 bis etwa 70 Jahre, in jüngerer Zeit kamen einige junge Neuzugänge hinzu. Das gute Niveau und das gute Programm locke auch Musikstudenten an, erklärt Kosin. Alle singen in ihrer Freizeit, bis auf den Chorleiter, der natürlich bezahlt werden muss. Eine finanzielle Förderung in der Coronakrise hat das Land erstmal abgelehnt, nun schaut der Vorstand, ob und wie ein zweiter Antrag gestellt werden kann.
Plötzlich hieß es
„amici ala casa“
Der Lockdown im März traf den Chor nach der Generalprobe für sein Konzert in Haan. Auf die Absage folgten Wochen der Trennung. „Amici a la casa“ lautete das Motto, erklärt Chormitglied Karin Rocholl. “Wir haben uns schrecklich vermisst“, erinnert Kosin, die nach Abhilfe sann. Eine erste Notlösung kam - wie bei vielen anderen - im virtuellen Raum. Über Zoom habe man sich wenigstens sehen können. Ein Austausch aber funktionierte technisch nicht. Man musste sich darauf beschränken, dem Chorleiter zuzuhören. Geprobt wurde allein oder im „Einzelunterricht“ mit Dennis Hansel-Dinar über Zoom. Kosin: „Wir hörten dem Chorleiter zu, jeder konnte versuchen mitzusingen, hörte sich selbst gut, aber er hörte uns nicht.“ Weshalb im Juni die langsame Rückkehr zum gemeinsamen, echten Proben eingeleitet wurde: Kleine Ensembles, die jeweils fünf verschiedene Stimmlagen umfassten, trafen sich nacheinander auf der privaten Hausterrasse eines Chormitglieds. “Diese Proben waren sehr intensiv, da jede Stimme praktisch solistisch gesungen hat“, erzählt Rocholl.
In den Sommerferien feilte der Vorstand am Probenkonzept weiter, formte aus einem Chor zwei, da sich kein Raum für 34 Personen fand. Seit Mitte August singen die „beiden Chöre“ wieder im Troxlerhaus, „leider nur 14-tägig“, bereiten sich nach all den Absagen auf das aktualisierte Konzertprogramm vor. Das beginnt am 31. Oktober mit einem Konzert in der Stephanuskirche in Düsseldorf und am 1. November mit einem Doppelkonzert in der Friedhofskirche in Wuppertal. Jedes Konzert besteht aus zwei 25-minütigen Teilen, die ein Mal der Hohelied- und das andere Mal der Psalmen-Chor bestreitet. Dazwischen überbrückt Chormitglied und Violoncellist Samuel Stracke eine Lüftungspause. „I will sing“ sei ein Bekenntnis: „Wir, die amici del canto“ können nicht anders. Ohne Singen fehlt in unserem Leben zu viel, als dass wir es einfach sein lassen könnten“, so Rocholl.
Der Chor hat in der Trennungszeit eine hohe Probenpräsenz und Disziplin entwickelt, die ihn noch enger zusammengeschweißt haben. Außerdem haben die coronabedingten Schutzmaßnahmen das Hören verändert: Der Abstand führe dazu, dass man die anderen weniger höre, der einzelne selbstständiger singen müsse, erzählt Kosin. Die veränderte Akustik wiederum zwinge dazu, sich mehr auf den Chorleiter zu fokussieren, was anstrengend sei, aber die Qualität verbessere. Kosin: „Wir haben gemerkt, dass wir das gefährlichste Hobby der Welt haben. Und wie wichtig Singen und der Chor für uns sind, natürlich habe ich Angst vor einem Déjà-vu. Wir können aber nichts anderes machen, als uns zu wappnen und vorzubereiten. Hauptsache, es wird nicht abgesagt.“