Andreas Helgi Schmid: "Die Bühne ist eine Zwei-Stunden-Plansequenz"

Der 27-Jährige steht erstmals in Wuppertal auf der Bühne — als Hauptdarsteller der Satire „JR“, die ab 21. Februar zu sehen ist.

Foto: Joyce Ilg

Wuppertal. Es geht um Atemlosigkeit, Gier und Rücksichtslosigkeit: Andreas Helgi Schmid steht zum ersten Mal in Wuppertal im Rampenlicht. Die Premiere ist eine besondere, denn die Wuppertaler Bühnen haben den 27-Jährigen als Hauptdarsteller für eine Uraufführung engagiert. In der Finanz-Satire „JR“, die am 21. Februar erstmals im Opernhaus zu erleben ist, spielt Schmid einen Rotzlöffel, der sich zum zwielichtigen Unternehmer mausert.

Herr Schmid, bei dem Stichwort „JR“ denken heute noch viele als erstes an „Dallas“ und einen der berühmtesten Fieslinge der TV-Geschichte. Dabei ist der gleichnamige Roman von William Gaddis bereits 1975 erschienen - drei Jahre vor der ersten Folge der Fernsehserie.

Andreas Helgi Schmid: Tatsächlich gibt es das Gerücht, dass J.R. Ewing aus „Dallas“ nach der Titelfigur des Romans von William Gaddis benannt worden sei. Aus gutem Grund: Beide Figuren sind machtvolle Wirtschaftshaie, die mit ihren Geschäften ihre Umgebung beeinflussen.

Im Opernhaus spielen Sie nun „JR“, die Titelfigur der Romanadaption. Gibt es Ähnlichkeiten zur TV-Figur?

Schmid: Anders als beim TV-Fiesling handelt es sich jedoch bei JR aus dem Roman um einen elfjährigen Jungen. Das ist die großartige Setzung von William Gaddis. Hinter dem Finanzimperium, das JR sich im Laufe des Romans aufbaut, steckt weniger Kalkül als die Fähigkeit, aufgrund seines Alters und fehlendem Verantwortungsbewusstsein die vorhandenen Möglichkeiten der Finanzwelt eiskalt umzusetzen. Seine Philospohie lautet: Alles was geht!

Was genau erwartet das Publikum am 21. Februar?

Schmid: Der Roman erzählt nicht nur in atemberaubendem Tempo die Geschichte des kleinen JR, der über Nacht die Finanzwelt aus den Fugen geraten lässt, sondern auch von erfolglosen Künstlern, die um ihre Existenz kämpfen. Das alles bringen wir in einer Theaterfassung von Tom Peuckert auf die Bühne - mit dem Spirit der 70er, geballter Wortakrobatik, einem Hauch „Saturday Night Fever“ und dem ganz großen Geldregen. Bis die Blase platzt.

Die Arbeit an einer Uraufführung ist ein besonderer Prozess. Wie viel Spielraum haben Sie?

Schmid: Das Tolle an Regisseur Marcus Lobbes ist seine Offenheit. Man bringt seine Ideen in die Arbeit mit ein und begibt sich dann gemeinsam auf die Suche nach den Figuren, dem Spielstil, der Szenerie. Dazu kommt, dass wir aufgrund der Uraufführung einen Stoff entwickeln, den es bisher noch nicht auf der Bühne zu sehen gab.

Der Roman ist eine Satire auf die Auswüchs des kapitalistischen „Hire and fire“-Systems. Inwiefern kennen Sie diese Seite aus der eigenen Theater-Realität?

Schmid: Sowohl in meiner letzten Tätigkeit als Gast in Tübingen als auch während meiner Arbeit hier in Wuppertal bin ich mit der Situation konfrontiert, dass ein komplettes Ensemble ein Haus verlassen muss, da ein Intendantenwechsel stattfindet. Ein schlimmer Vorgang: Familie, Freunde, sein ganzes Umfeld aufgeben zu müssen, um als Künstler weiterzuziehen - in der Hoffnung auf einen Job. Dazu kommen die Sparmaßnahmen an den Theatern.

Sie machen zum ersten Mal in Wuppertal Theater. Wie entstand die Verbindung?

Schmid: Die Verbindung entstand über den Regisseur Marcus Lobbes, den ich während meiner Zeit am Freiburger Theater kennengelernt habe. Damals steckten wir in unterschiedlichen Produktionen. Jetzt hat es endlich geklappt, zusammen zu arbeiten.

Sie haben schon mehrfach in „Tatort“-Folgen mitgespielt. Träumen Sie von einer Berufung zum „Tatort“-Ermittler?

Schmid: Das Tolle an einer Rolle als Ermittler ist die Möglichkeit, eine Figur über mehrere Folgen zu entwickeln. Das gibt es auch in anderen Formaten. Außerdem finde ich die Episodenfiguren oft aufregender. Ich bin gespannt, ob sich im deutschen Fernsehen bald neben dem „Tatort“ auch andere Serienformate durchsetzen werden, wie wir sie aus den USA kennen. Junge begeisterte Filmemacher gibt es genügend.

Fernsehen oder Theater - was ist reizvoller?

Schmid: Beim Film reizt mich die Konzentration auf einen Vorgang, einen Moment, den man mit voller Intensität durchdringt — alles muss stimmen für den „Take“. Die Bühne ist eine Zwei-Stunden-Plansequenz. Du arbeitest mit dem, was kommt, Zug um Zug. Es gibt kein Zurück. Ich möchte mich nicht entscheiden.

Wie ausgeprägt ist Ihre isländische Seite?

Schmid: Meine Mutter ist Isländerin und ich verstehe mich als halber Isländer. Ein Großteil meiner Verwandten lebt dort. Ich würde gerne mal längere Zeit dort wohnen. Mal schauen, wann das klappt.