„Aufstand“: Liebe und Familie fallen der Politik zum Opfer

Die Bühnen ernten mit Feridun Zaimoglus Kammeroper mit historischem Lokalbezug begeisterten Applaus.

Wuppertal. „Darf man Knechten trauen?“, fragt der Elberfelder Tuchfabrikant Jansen im Mai 1849, als aufständische Arbeiter und Landwehrmänner die Frankfurter Reichsverfassung gegen die preußische Führung durchsetzen wollen. „Aufstand“ nennen Feridun Zaimoglu und Günter Senkel ihr Libretto zur Kammeroper von Enver Yalcin Özdiker, die im Kleinen Schauspielhaus uraufgeführt wurde.

Zaimoglu grundiert den Text, der Sprechtheater und Oper eint, mit dem persönlichen Schicksal der Fabrikantenfamilie. Denn die ältere Tochter, die „rote“ Graziella (Kristina Stanek) ist den neuen Ideen durchaus aufgeschlossen und hält dem Vater (Olaf Haye) vor: „Herr Vater, du handelst ganz nach deinem Klassengeiste.“ Ausgerechnet in den preußischen Major (Marek Reichert) verliebt sie sich und warnt: „Dass Deutsche durch deutsche Kugeln sterben, darf nicht sein.“ Die sanfte Susanne (Dorothea Brandt) aber liebt den Arbeiter Anton (Christian Sturm), der der Revolution begeistert anhängt. Aber: „Das Morden beginnt“, weiß Susanne hellsichtig.

Christian von Treskow inszeniert stringent: Die starre Haltung der Bourgeoisie versinnbildlichen die an Einzeltischen Agierenden in traditionellen Kostümen (Ausstattung: Dorien Thomsen). Erst der Aufruf zum Widerstand, den alle chorisch lesen, eint sie am langen Tisch.

Der aber wird bald zur Bahre für den gefallenen Major. Immer stärker regiert das Chaos Handlung und Bühnenbild, bis endlich eine Barrikadenskulptur im Stil des Delacroix-Gemäldes das bittere Ende zeigt: Die jungen Männer sind gefallen, die Schwestern haben sich getötet. Friedrich Engels (Sprechrolle Philipp Alfons Heitmann) unterstützt zwar die Aufständischen wortreich — denn Anton bittet: „Engels, sagen Sie, was zu tun ist“ — kann aber nicht wirklich helfen. Resultat: Der Aufstand scheitert, Engels ist im fernen England zum Tee trinken verbannt, die Freischärler fliehen, und Elberfeld wird von preußischem Militär besetzt — die Unterwerfung ist vollzogen, eine Familie ist zerstört, Liebe der Politik zum Opfer gefallen.

Zaimoglus wortgewaltiger Sprache kann die Musik von Özdiker nicht entsprechen. Sie will es wohl auch nicht, denn der Komponist arbeitet bewusst mit schlichter, linearer Gestaltung in den Gesangsstimmen, die bis in die Nebenrollen (Bürgermeister: Rolf Scheider, Dienstmädchen Annika Boos) hervorragend besetzt sind. Dramatik in der Handlung unterstreicht er mit Tönen, Tonfolgen, Rhythmen, Geräuschen und Instrumentenclustern, die die Mitglieder des Sinfonieorchesters und Gäste unter der Leitung von Tobias Deutschmann hinter durchscheinenden Jalousien perfekt ausführen. „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ — die Weihnachtsbotschaft im Spruchband über der Bühne muss am Ende wie ein Hohn wirken. Bei der Premiere gibt es begeisterten Applaus für die zeitgemäße Kammeroper mit historischem Lokalbezug.

Regie: n n n n n

Komposition: n n n n n

Libretto: n n n n n

Ausstattung: n n n n n

Ensemble: n n n n n