Kultur in Wuppertal Daniel Barenboim interpretiert Beethoven neu

Auftritt im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr in der Stadthalle mit einigen Schwächen.

Daniel Barenboim trat im Rahmen des Klavierfestivals Ruhr in der Historischen Stadthalle.

Foto: Peter Wieler

Daniel Barenboim ist Stammgast des Klavier-Festivals Ruhr. Zum 30. Mal seit 1996 war er mittlerweile anwesend, zum zweiten Mal in diesem Rahmen in der Wuppertaler Stadthalle, um erstmalig sein traditionelles Neujahrskonzert zu bestreiten. Er gilt als großer Kenner des Oeuvres von Ludwig van Beethoven. Also brachte er anlässlich des 250. Geburtstags des großen Komponisten in diesem Jahr vier seiner Sonaten mit auf den Johannisberg. Dementsprechend zog es die Klassikfans in Scharen in den Großen Saal, der inklusive Chorpodium voll besetzt war. Trotz der stehenden Ovationen zum Schluss blieben nach seinen Vorträgen ein paar Wünsche offen.

Wird das „Wohltemperierte Klavier“ Johann Sebastian Bachs als das „Alte Testament“, werden die 32 Sonaten Beethovens als das „Neue Testament“ der Klavierliteratur bezeichnet. Dieses „Buch“ als ganzes oder in Teilen steht seit Jahrzehnten mit auf seinen Konzertprogrammen. Dieses Mal waren es die Sonaten aus der ersten Gruppe in E-Dur (op. 14/1) und Es-Dur (op. 7), aus der zweiten in F-Dur (op. 54) sowie aus der letzten die Finale in c-Moll (op. 111). Barenboim präsentierte also vier Werke aus den drei Schaffensperioden Beethovens mit ihren unterschiedlichen Kompositionsweisen und musikalischen Entwicklungen.

Ein Kolossalgemälde voller Energie und Akzentuierungen

Bei Opus 7 ist es die sinfonische Steigerungs- und Entwicklungstendenz, die die motivischen Glieder wie das Hauptthema beachtlich ausdehnen. Etwa trägt das finale Rondo humorige Züge in der glücklich konzipierten Nummer 14/1. Opus 54 beginnt mit einer Doublette: Einem anmutig, fein ziselierten Motiv folgen brutal wirkende Oktavgänge. Im Allegretto gipfelt das nahezu gebrechliche Tonmaterial mächtig hin zu leuchtender Höhe. In Beethovens Abschiedswerk dieser Gattung mischen sich Objektives und Subjektives. Der Kopfsatz ist ein Kolossalgemälde voller Energie und Akzentuierungen, der wie ein milder Abschiedsgesang verklingt. Die Melodie des sich anschließenden Schluss-Satzes schwankt anfangs zwischen Zuversicht und Melancholie. Die Variationen darüber beginnen schlicht, entwickeln sich hin zur Klangsättigung, bis in der Coda alles still wie ein freundlicher Abschied verlöscht.

Diese und andere Charakteristika stellte der Maestro aber nicht in den Vordergrund. Man konnte sie über weite Strecken nur erahnen. Vielmehr spielte er diese vier Opera trotz der mannigfaltigen Inhalte mit dem gleichen Gestus: geistig wie entrückt, kontemplativ, weich dahinsäuselnd. Läufe rieselten zart vor sich hin. Verhalten kamen viele Motive, Themen und Hauptstimmen daher. Dabei war seine hochsensible Anschlagskultur frappant. Sein feinfühlig-mildes Piano macht ihm so schnell kein Kollege nach. Doch waren etliche Stellen derart dahingehaucht, dass nicht alle Töne deutlich aus dem für ihn gebauten Flügel kamen.

Außerdem haperte es an seiner oft hoch gelobten virtuosen Klaviertechnik. Denn an diesem Abend misslangen ihm sehr viele schnelle, nicht leichte Passagen. Allerhand Verspieler mischten sich unter die unpräzise vorgetragenen Läufe, Trillerabfolgen, Arpeggien (gebrochene Akkorde) und Umspielungen ein. Auch wurden Töne weggelassen. Er bemühte sich zwar, diese Schwächen mit einem intensiven rechten Pedaleinsatz zu kaschieren, da so ein „breiter“ Klavierklang zu Lasten von Präzision und Durchhörbarkeit entsteht. Die Mängel waren dennoch klar vernehmbar.

Eindeutig interpretierte Barenboim Beethoven auf eine ganz neue Art, leider nur hin und wieder verständlich durchstrukturiert und oft nicht fehlerfrei. Eine offene Frage ist letztendlich nicht von der Hand zu weisen: Spielte Barenboim Barenboim (und nicht Beethoven) an einem Barenboim-Instrument?