Kistenoper Kinder entwickeln Aufführung und die Freude an der Oper
Das junge Education-Format Kistenoper bringt das Genre ins Klassenzimmer der Grundschulen.
Diese Kiste hat es in sich: Sagt man nicht höflich „bitte“, gibt sie das Gesuchte nicht her, missachtet man die, zugegeben komplizierte, Bedienungsanleitung, knallt es schon mal beim Aufziehen einer der insgesamt zehn Schubladen, die in ihrem Inneren untergebracht sind. Diese Kiste beherrscht ein paar Zaubertricks und sie hat einen Auftrag: Sechs- bis Zehnjährigen die Oper näher zu bringen. Seit dem letzten Jahr reist die Kistenoper als noch junges Education-Format in die Grundschulen der Stadt.
Früher gab es Klassenzimmer-Workshops. Doch die waren zu passiv und bedeuteten, dass die Kinder in die Oper kommen mussten. Ein aktiveres und praktisches Format sollte sie ersetzen. Svea Schenkel, Theaterpädagogin im Educationteam der Wuppertaler Oper, holte Karin Kotzbauer-Bode ins Boot, die Regieassistentin und Spielleiterin am Haus ist. Gemeinsam überlegten sie sich ein Konzept, in dessen Zentrum schnell eine Holzkiste stand. Eine Kiste, die transportabel und variabel sein, Requisiten und Kostüme beinhalten und wie eine Zauberkiste wirken sollte.
Bühnenbildner Laurentiu Tuturuga machte sich ans Werk, stellte einen etwa 1,20 Meter hohen, 50 Zentimeter tiefen und 50 Zentimeter breiten Holzkasten auf Rollen und setzte ihm eine etwa 50 Zentimeter hohe, eckige Haube auf. Dieser Turm wurde mit einer Haut versehen, die an eine antike Säule erinnert: Mit Reliefs, Figuren der Commedia dell’arte und dem lateinischen Spruch „Rident corrigo mores“ (Deutsch: „durch Lachen verbessere ich die Sitten“), was soviel wie „Lachen macht Laune“ bedeutet.
Die Säule funktioniert wie ein Schrank, dessen beide Seiten allerdings nicht flach sind, sondern jeweils fünf Schubladen und dessen Korpus in der Mitte zwei Bereiche für Kleidung umfassen. Bemalt ist das Innere wie ein Comic, mit Sprechblasen und bunten Farben. Und unter der Haube obendrauf verbirgt sich eine Minitaturbühne mit Musikern im Orchestergraben, weinroten Vorhängen, einem großen alten Segelschiff im Hintergrund und zwei Playmobilfiguren davor.
Zwei Playmobilfiguren auf
einer Miniaturbühne
Das Stück, das aufgeführt werden soll, dreht sich um diese beiden Figuren, den Piratenkapitän Osmin, der alle adeligen Hoheiten, vor allem aber das Putzen hasst, und die Prinzessin Blonde. Die beiden geraten in Streit mit Putzwedel, Säbel und Pistole. Vier Mitglieder des Opernchors, die jeweils zu zweit agieren, schlüpfen in die beiden Rollen: Katharina Greiß, Tanja Ball, Jochen Bauer und Oliver Picker. Begleitet werden sie von Opern-Korrepetitor Ko Ji Ishizaka auf seinem elektronischen (und tragbaren) Klavier.
Aufgebaut wird die mobile Oper während der Pause, wenn die Kinder dann ins Klassenzimmer kommen, treffen sie auf eine „Regieassistentin“ und einen „Bühnenarbeiter“, die vergessen haben, die Künstler mitzubringen. „Mit Hilfe der Kinder schlüpfen wir dann in die Rollen von Prinzessin und Pirat“, erzählt Katharina Greiß. Die Kinder helfen ihnen beim Aussuchen der Kostüme, kriegen nebenbei eine kleine Schauspiel- und Gesangsschulung – machen alles, was Pirat und Prinzessin eben auch können müssen. „Sie lernen aktiv, wie eine Oper entsteht, was dahinter steckt“, erklärt Karin Kotzbauer-Bode, die Regie führt.
Die Kinder liefern
das Donnergrollen
Der Einführung folgt die Aufführung. Prinzessin und Pirat singen das Duett „Ich gehe, doch ich rate dir“ aus Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Entführung aus dem Serail“, weshalb Ko Ji Ishizaka eine weiße Rokkoko-Perücke mit Zopf trägt. Außerdem spielt er die Ouvertüre aus Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“. Die Kinder liefern dazu das Donnergrollen. Die Lieder wählten die Choristen aus, „weil sie uns gut gefallen und eine gewisse Dynamik haben. Schließlich streiten sich die beiden ja“, sagt Greiß.
Im November 2018 begannen die Proben, das Team testete das Programm ausführlich. Zunächst im Haus, im Januar 2019 dann in einer Nachmittagsbetreuung und schließlich in einer ersten und einer vierten Klasse der Sankt Antonius-Schule. Daraus folgten Überarbeitungen und die Erkenntnis, dass die Altersgruppen zwar unterschiedlich reagieren, aber „für alle was dabei ist“, resümiert Karin Kotzbauer-Bode.
Vorbereiten müssen sich die Schulen nicht auf den Opernbesuch, nur offen sein für „die Freude an Oper und Schauspiel, die Magie der Bühne“. Die ersten Aufführungen zeigen, dass das Konzept aufgeht: „Die Kinder gehen so sehr mit, dass es manchmal schwierig ist, ein Ende zu finden“, freut sich Kotzbauer-Bode. Derzeit sammeln sich die Anfragen an.