Klavierkonzert Susanne Kessel gibt Antworten auf Beethoven

Bonnerin war mit dem Projekt „250 Piano Pieces for Beethoven“ zu Gast in der Sophienkirche.

Susanne Kessel war zu Gast in der Sophienkirche.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Beethoven bahnt bis heute Neues an. Ein schönes Beispiel ist das Projekt „250 Piano Pieces for Beethoven“, das die Bonner Pianistin Susanne Kessel angeschoben hat. Mit Blick auf das Jubiläumsjahr 2020 lud sie Komponisten dazu ein, Stücke zu schreiben, die sich von der Musik des Klassikers befruchten lassen und ihr die eigene Tonsprache entgegensetzen.

Die so entstandenen Werke macht Kessel durch Konzerte bekannt. Sie hat außerdem eine Auswahl auf CD veröffentlicht und eine Notenedition herausgebracht. Das „Soll“ ist längst erfüllt. Aktuell umfasst das Projekt 261 Kompositionen. In den Beiträgen aus über 40 Ländern mischen sich Einflüsse von Avantgarde, Jazz und Pop.

Beim „Unerhört!“-Konzert in der Sophienkirche ging es Kessel nicht bloß um die Musik. Fünf Teilnehmer des Beethoven-Projekts saßen mit im Publikum und kamen auf die Bühne, um die Geschichten hinter ihrer Musik zu erzählen.

Eberhard Kranemann hat
Rockgeschichte geschrieben

Ein bekanntes Gesicht war natürlich Eberhard Kranemann. Als Musiker bei Kraftwerk und Neu! hat der gebürtige Dortmunder Rockgeschichte geschrieben, und als bildender Künstler ist er bis heute im Tal präsent. Mit verschmitztem Lächeln erläuterte er den Titel seines Stücks. „Beethoven-Panpsychism“ greife die Idee einiger Wissenschaftler auf, dass auch das Universum ein Bewusstsein habe. Diesen Gedanken verquickt Kranemann mit Zitaten aus Beethovens Fünfter, die sorgsam ins Klavierstück eingebettet sind. Kessel jedenfalls begann mit schwebend leichten Klängen. Doch sie brauchte nur das „Schicksalsmotiv“ anzuspielen, um eine gewaltige atonale Eruption auszulösen – ein Schöpfungsakt eigener Güte.

Von der Rockmusik kommt auch Dietmar Bonnen. Was ein Grund dafür sein mag, dass sich sein Beitrag auf Beethovens motorische Kraft stützt. Ursprünglich, so Bonnen, habe er „Rote Beete“ für eine Pianistin geschrieben, „die unter dem Klavier liegt“. Diese unbequeme Spielhaltung musste Kessel zum Glück nicht einnehmen. Stattdessen funktionierte sie zusammen mit dem Komponisten den Flügel zum Perkussionsinstrument um und schuf ein dichtes Rhythmus-Gewebe.

Diese Prägnanz erreichten die anderen Beiträge des Komponistenquintetts nicht. Wie sein Vorbild reizte Martin Wistinghausen die Extremwerte vom Pianissimo bis zum rauschenden Forte aus. In mehreren Schleifen näherte sich Jan Kopp einem Originalzitat, gewann dadurch aber nicht an Kontur. Blass blieb auch die Miniatur von Heinz-Dieter Wilke. Eindruck auf die Zuhörer machte dagegen das Stück von Harald Muenz. Hier wurde Kessel zur Performerin, die aus einem Beethoven-Band ein Notenblatt herausriss, umdrehte und rückwärts spielte.