Sinfonieorchester Nahbares Sinfonieorchester entdeckt seine spielerische Seite
Programmheft stellt die Musiker in den Mittelpunkt. Thema Spiel verbindet Orchester, Konzerte und Publikum.
Soviel Spiel war nie. Das Sinfonieorchester Wuppertal startet in die neue Spielzeit und nimmt dies wörtlich, sogar doppelt wörtlich, meint Musik- als auch Gesellschafts-Spiel. Weshalb das neue Programmheft „einfache“ Musiker, keine berühmten Solisten, beim Würfeln, Bauen, Rätseln zeigt.
Orchestermanager Benjamin Reissenberger erklärt: „Als ich vor einem Jahr hier antrat, habe ich mir vorgenommen, das Orchester nahbarer zu machen.“ Also wurde das Orchester von der Bühne herunter in einen spielerischen Alltag geholt. Denn jeder Mensch spielt. Roter Faden der neuen Spielzeit, deren erstes Sinfoniekonzert am Sonntag, 22. September, ansteht.
Inhaltlich verfolgt das neue Programm weiter das Rezept, populäre mit seltener gespielten Stücken zu kombinieren, verspricht diesmal dem ungeübten Ohr, Ankerpunkte zu setzen. „Jeder, der kommt, nimmt etwas mit, das er kennt“, erklärt Pressesprecherin Esther Klose. Das Programm von Generalmusikdirektorin Julia Jones sei „dramaturgisch durchdacht, habe Querbezüge“, konkretisiert Reissenberger. Ankerpunkt der insgesamt zehn Sinfoniekonzerte ist das Thema Chaos und der Versuch, es zu überwinden.
Wenn im ersten Sinfoniekonzert Haydns „Die Vorstellung des Chaos“ gespielt wird, wird auf dem Foto im Programmheft „Das verrückte Labyrinth“ gespielt. Und im Rücken der Musiker steht das leicht chaotisch bestückte Notenarchivregal, sagt Klose und schmunzelt.
Intensiviert wird das Projekt „Rock meets Classics“, das bislang alle zwei Jahre stattfindet. Intensiviert wird auch die Zusammenarbeit mit den anderen Sparten der Bühnen. Beispielsweise wird das Familienstück „Der kleine Lord“ des Schauspiels live begleitet, außerdem nimmt man erstmals am #Schnappschuss-Format teil, das am 17. Oktober im Skulpturenpark Waldfrieden gastiert.
Ein Projekt mit
Klimaschutz-Aspekt
2020 ist Beethoven-Jahr. Das Orchester nimmt am Bonner „Beethoven Pastoral Project“ teil, führt also seine sechste Sinfonie, die „Pastorale“, auf – auf dem entsprechenden Bild im Programmheft bauen Musiker eine Weltkugel als 3D-Puzzle. „Sie puzzeln sozusagen die Welt zusammen, müssen dabei vorsichtig sein, damit sie nicht zusammenstürzt“, weist Klose auf den Klimaschutz-Aspekt des Projekts hin.
Nachhaltigkeit will sich das Orchester auch andernorts auf die Fahnen schreiben: Indem man über die Anreise zu den Konzerten nachdenkt, Transportfahrten logistisch hinterfragt und zusammenlegt, oder auf die in der Konzertkarte enthaltene Fahrt mit dem VRR hinweist. Eine Kooperation mit dem Wuppertal Institut wird vorbereitet, soll Anfang 2020 starten.
Die Fotos des Wuppertaler Schauspiels dienten als eine Art Vorbild, weil sie die Persönlichkeiten der Schauspieler so gut einfangen, fand Reissenberger und gewann den Fotografen Uwe Schinkel auch für das Orchester. Bei der Auswahl der Spiele befolgte man ein Motto Mozarts, Kenner und Nichtkenner gleichermaßen anzusprechen und holte das Unternehmen Ravensburger ins Boot. Der Spieleverlag stiftete die Spiele und erlaubte, ihre Namen in den Konzerttiteln zu verwenden. Gespielt wurde bewusst nicht in der Stadthalle, sondern im Probenraum an der Burgunder Straße.
Beim dritten Konzert wird Bartoks Konzert für Orchester aufgeführt, dessen zweiter Satz „Spiel der Paare“ heißt. Dem wird Mozarts Klavierkonzert C-Moll mit Bläserpaaren gegenübergestellt und im Programmheft werden Musiker gezeigt, die das Paarspiel Memory spielen. Beim siebten Sinfoniekonzert wird es rheinisch: Schumanns Rheinische Sinfonie und Beethoven (der in Bonn am Rhein geboren wurde) werden aufgeführt. Im Programmheft spielen die Musiker das Anglerspiel in umfunktionierten Trommelbecken.
Das Benefizkonzert am Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober wiederum wurde mit der Deutschlandreise bebildert, der geübte Blick erkennt, dass die Reise (natürlich) in Wuppertal startet. Klar, dass soviel Spiel auch Spaß macht – bei den Organisatoren und den Musikern, die manchmal gar nicht aufhören wollten. Reissenberger: „Beim Bauen des Jengaturms wollten wir eigentlich den Moment festhalten, wenn er zusammenbricht.“ Dabei hatten sie aber die Rechnung ohne den (Geschicklichkeits-)Ehrgeiz der Akteure gemacht – wie im Heft zu sehen ist.