Die „Bluthochzeit“ entfaltet ihre Sogwirkung in Barmen
Regisseur Christian von Götz setzt Fortners Literaturoper im Opernhaus in Szene.
Wuppertal. Der Dämon reitet die Mutter. Er springt ihr in den Nacken. Er sitzt auf ihren Schultern. Er schnürt ihr die Luft ab. In der bilderstarken Inszenierung von Christian von Götz ist es ein realer Dämon (Verena Hierholzer) in Gestalt einer Braut. Denn die Mutter ahnt, dass die Hochzeit ihres jüngeren Sohnes eine „Bluthochzeit“ wird.
Für die Literaturoper nach der Tragödie von Federico Garcia Lorca hat Wolfgang Fortner ein Schauspiel in ein musikalisches Werk umgeformt und Zwölftonmusik mit Elementen spanischer Musik und Einsatz von Kastagnetten, Mandolinen und Gitarre verbunden. Formales aber beugt sich stets dem Expressiven. Mit vielfältigen Instrumentenfarben, einer suggestiven Rhythmik und lyrischen Weisen entfaltet das Wuppertaler Sinfonieorchester unter Hilary Griffiths´ mitreißendem Dirigat die musikdramatische Sogwirkung.
Weil die Musiker auf einer Art Oberbühne — zunächst hinter einem mit Häuser-Rückfronten bedruckten Vorhang und später sichtbar über den Akteuren — spielen, gewinnt die Musik eine bezwingende Präsenz.
Denn die Ausstattung ist denkbar schlicht — mit umgekippten Stühlen und einer gezimmerten Kiste, die Bett, Schrank oder Sarg ist, lässt sie Raum für die mit großem Engagement aktiven Sänger und Schauspieler. Sie füllen namenlose Rollen, sind Mutter, Braut, Bräutigam oder Kind, Bettlerin und Mond.
Nur Leonardo ist mit Namen individualisiert. Thomas Laske gibt ihn mit tragfähigem Bariton als Ekel-Macho. Eigentlich begehrt er immer noch die Braut, die der letzte Sohn (Gregor Henze) der Mutter nun heiraten will, und entführt sie schließlich.
Dalia Schaechter ist die Idealbesetzung für die Rolle der Mutter. Mit kraftvollem Sopran und berührend-intensivem Spiel nimmt sie die Zuschauer gefangen, wenn sie über dem todbringenden Messer wie versteinert im Schmerz klagt.
Der archaische Ehrenkodex im alten Andalusien hat ihr durch Blutrache der Familie Leonardos bereits Mann und älteren Sohn geraubt. Und die Nachstellungen des Leonardo, denen die Braut (sehr präsent: Banu Böke) nachgibt, führen zwingend zur Tragödie. Sie wird unheildrohend eingeleitet in der Wald-Szene — im Kanon zweier Violinen, untermalt vom leisen Beben des Schlagwerks.
Wolfgang Fortner arbeitet auch mit surrealistischen, allegorischen Figuren: Den Mond — die glänzende Tenor-Arie singt Martin Koch — stattet die Regie als Liliputaner mit Blendlampe aus, die den Rivalen, die sich schließlich gegenseitig töten, den Weg weist. Ingeborg Wolff rezitiert als abgerissene alte Bettlerin mit strahlendem Blick die düsteren Todes-Prophezeiungen.
Auch die umtriebige Magd (Joslyn Rechter) und die unter der Fuchtel der Mutter (Cornelia Berger) stehende Frau Leonardos (Miriam Ritter) sind gut besetzt, die beiden Letztgenannten jedoch stimmlich nicht immer ganz durchsetzungsfähig.
Der Opernchor ist Hochzeitsgesellschaft oder Chorus in antiker Tradition. Der fließende Übergang von Gesang, Sprache oder melodramatischer Rezitation machen die durch orchestrale Zwischenspiele verbundenen sieben Bilder ungemein lebendig.
Am Ende schreit die Mutter ihre Totenklage heraus: „Ein ganz kleines Messer“ hat ihre Familie zerstört und die Braut kann ihr ihre Unberührtheit nicht glaubhaft versichern. Inszenierung: n n n n n Ensemble: n n n n n Orchester: n n n n n