Die Gralsburg als Seniorenheim
Bei Richard Wagners „Parsifal“ überzeugen die grandiosen Sänger, die Inszenierung jedoch nur bedingt.
Wuppertal. Ein weißer Würfel zieht jeden in seinen Bann. In Kundrys Territorium findet die stimmigste Szene dieses „Parsifal“ statt. In der Mitte steht ein weißes Bett, links daneben steht die schwangere Herzeleide im Brautkleid, rechts sitzt eine Frau im Trauergewand, die sich später als Klingsor entpuppt, der Parsifal mit der heiligen Lanze angeht.
Es packt, wie Kundry versucht, den Titelhelden zu verführen und dieser durch ihren Kuss seine wahre Mission erkennt. Kathrin Göring mit ihrem dramatischen Mezzosopran und Tilmann Unger mit seinem klaren Tenor (nur ganz zum Schluss dieses Musikdramas ließ er an Kraft nach) sorgten hier musikalisch und spielerisch für den Höhepunkt der Premiere von Richard Wagners Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ im Opernhaus. Zu Recht gab es dafür Bravorufe.
Nachvollziehen kann man auch, wenn Thilo Reinhardt in seiner auf den Zeitgeist gemünzten Inszenierung im ersten Aufzug die Gralsritter als Schüler eines Elite-Internats zeigt. Die künftigen Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft ertüchtigen sich in einer Turnhalle mit Spinden (Bühnenbild: Harald Thor) unter Gurnemanz in Trainingsklamotten (Kostüme: Katharina Gault). Wenn in Klingsors Welt die Blumenmädchen als Cheerleader Parsifal zu bezirzen versuchen, mag dieser Einfall akzeptabel sein, obwohl sie eigentlich die eigene Sportmannschaft anfeuern sollen.
Fragwürdig sind dagegen andere Handlungen: Warum ist der Schwan von Parsifal nicht tödlich getroffen, sondern nur verwundet? Warum ist der wichtigste Gegenstand, der Gral, nirgends zu erahnen, geschweige denn zu sehen? Dafür lässt sich Amfortas im zweiten Bild des ersten Aufzugs wie zur Kreuzigung fesseln und mit Degenstichen verletzen. Das Blut wird in einem Becken aufgefangen, woraus die Ritter schöpfen und trinken.
Auch während des dritten Aufzugs macht sich im Auditorium Verwirrung breit. Warum liegt die Turnhalle als Kriegsfolge in Schutt und Asche, kommt Parsifal als Blauhelmsoldat mit Panzerfaust daher, verwandelt sich die Gralsburg in ein Seniorenheim?
Statt der Gralsenthüllung fallen als Schlussbild gold-durchwirkter Mantel, Panzerfaust und Speer den Flammen zum Opfer.
Dafür gab es keine gesanglichen Ausfälle. Neben Göring und Unger war Andreas Daum als Klingsor mit seinem grandiosen Bass ein weiterer Star des Abends. Thomas Gazheli als Amfortas und Martin Blasius als Titurel gestalteten ihre Partien mit durchsetzungsfähigen Stimmen. Thorsten Grümbel verkörperte einen glaubwürdigen Gurnemanz. Auch Opern- und Extrachor (Ein-studierung: Jens Bingert) sowie die kleineren Rollen sangen tadellos.
Vielleicht lag es an der unpathetischen Inszenierung, dass es im Orchestergraben recht flott zur Sache ging. Denn Toshiyuki Kamioka for-derte vom routiniert spielenden Sinfonieorchester Wuppertal überdurchschnittlich rasche Tempi. So dauerte allein das Vorspiel zum ersten Aufzug einige Minuten kürzer, als es seinerzeit Richard Wagner selbst von seinem Bayreuther Festspielorchester verlangt hatte. Neben stehenden Ovationen und einigen Bravi wurde vor allem das Regieteam auch mit Buhrufen bedacht.