Eine Sopranistin im Mutterglück
Elena Fink wirkt entspannt und ausgeglichen: Nach der Geburt von Tochter Caroline startet sie beruflich neu durch.
Wuppertal. Sie kann noch keine Noten lesen, kennt sich auf dem musikalischen Parkett aber bereits bestens aus: Caroline Melchior, knappe acht Wochen alt, hat mit ihrer Mutter Elena Fink schon das Rampenlicht geteilt, als sie noch gar nicht auf der Welt war — und sie die Zuhörer auch noch nicht sehen, sondern nur erahnen konnten.
Im September 2011 hatte Klein-Caroline ihren letzten Auftritt als „Unsichtbare“. Fühlen konnte die damals noch schwangere Elena Fink ihre Tochter aber bereits: „Beim letzten Konzert vor der Geburt hat sie kräftig getreten“, erinnert sich die Sängerin mit einem Schmunzeln. Ob’s daran lag, dass es in der Alten lutherischen Kirche barocke Klänge bei Kerzenschein gab? Wie auch immer: Die junge Dame war in den vergangenen Monaten stets hautnah dabei, wenn ihre Mutter auf verschiedene Art Taktgefühl bewiesen, also zu Hause geübt oder vor Publikum gesungen hat.
„Es hat sich zum Positiven relativiert“, sagt Fink. Das Verhältnis zum Singen, zur Musik und zum Alltag im Rampenlicht sei „gesünder“ geworden: Die Solistin der Wuppertaler Bühnen hat gelernt, „dass man einfach auf das vertrauen sollte, was man kann“. So gibt sie auch offen zu, dass sie bei einem der letzten Opern-Auftritte vor der Schwangerschaftspause einen kleinen Hänger hatte. „Ich stand allein auf der Bühne und dachte nur: Nicht aufregen — das schadet dem Kind.“
Fink hat gut lachen, denn den kurzen Moment der Irritation hatte sie rasch überwunden: „Keiner der Zuschauer hat’s gemerkt.“ Ein Leben ohne Musik kann sich Elena Fink nicht vorstellen — eines ohne Nachwuchs allerdings auch nicht mehr. „Ich bin eine Perfektionistin“, sagt sie. „Ich möchte es immer allen recht machen. Aber das geht im Leben nun mal nicht.“
Eine Erkenntnis, die sie nicht zuletzt dem Schützling an ihrer Seite zu verdanken hat: Es scheint ganz so, als habe die kleine Caroline schon jetzt großen Einfluss auf die Lebenseinstellung der Sopranistin. „Ich liebe meinen Beruf und mir hat es zuletzt sehr gefehlt, auf der Bühne zu stehen. Aber natürlich gibt es auch anderes, das extrem wichtig ist.“ Allen voran Tochter Caroline und Ehemann Christian.
Das neue Glück, das sie inzwischen fest im Arm hält, „hat mich ruhiger werden lassen“. Dabei war sie in den Wochen vor der Geburt durchaus aufgeregt — nicht nur wegen der Ankunft der ersten Tochter, sondern auch wegen der anstehenden Konzerte, die sie unbedingt absolvieren wollte: Exakt einen Monat nach Carolines Geburt spielte die Wuppertalerin ihr Taktgefühl in Finnland aus. Wer weiß, wie professionell und engagiert die Sängerin ist, hat ihr das ohne Weiteres zugetraut. Trotzdem gab es vor den geplanten Gastspielen im Ausland auch kritische Stimmen — ganz nach dem Motto: „Wart’ erstmal ab . . .“
Nachdem es weder im Kreißsaal noch in den ersten Tagen als Familien-Trio Komplikationen gegeben hatte, stand allerdings fest: Allzu lange warten, bis sie wieder ein Heimspiel geben kann, möchte die Wuppertalerin nicht. Zumal sie die Tochter bei Ehemann Christian Melchior in besten Händen weiß. Der Sinfoniker wird sich um Caroline kümmern, wenn Elena Fink im April ins Opernhaus zurückkehrt — und passte auch auf die Neugeborene auf, als seine Frau in Finnland für Furore sorgte. „Ich war zu Tränen gerührt“, erzählt sie. „Die Zuhörer standen am Ende auf und applaudierten euphorisch.“
Publik gemacht, dass sie gerade erst Mutter geworden war, hat sie in Skandinavien übrigens nicht: „Dann hätten alle auf den Bauch geschaut und jeden Ton in die Waagschale gelegt. Ich wusste, dass ich gut drauf bin — und wollte einfach nur als Sängerin bewertet werden.“ Weshalb sie auch keinen Zweifel daran aufkommen lässt, wie wichtig ihr der Beruf ist — und bleibt. Nur zwei Tage nach der Rückkehr aus Finnland zog es sie nach Istanbul. Auch dort sei das Publikum begeistert gewesen. „Ich bin einfach gerne auf der Bühne“, betont Fink. „Es war toll!“ Sagt’s, drückt die kleine Caroline liebevoll an sich und strahlt über das ganze Gesicht. Keine Frage: Die neue (Mutter-)Rolle steht ihr gut.