Hengebsach Gallery Flache Papierbögen erlauben voluminöse Einschlüsse

Hengesbach Gallery zeigt bildhauerische Interventionen von David Semper.

David Semper neben seinen „Nischen“, die er in die Wand der Hengesbach Gallery eingelassen hat.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Manche Ausstellungen nehmen Gestalt an, wenn Bilder an die Wand gehängt werden. Bei David Semper ist das anders: Er bindet die Ausstellungswände in seine Kunstwerke ein. Sie entstehen im Zusammenspiel mit und im Gegensatz zu ihnen, greifen in sie ein, ragen aus ihnen hervor, eröffnen Dialoge und Farbspiele in mannigfaltigen Weißnuancen. Kurz: Seine bildhauerischen Interventionen verbinden sich mit der Architektur zum skulpturalen Objekt. In der Hengesbach Gallery zeigt der 40-jährige gebürtige Wuppertaler seit dem 8. November seine „Einschlüsse“ – ohne Eröffnungsfeier, die, so Galerist Rolf Hengesbach, möglichst im Dezember nachgeholt werden soll.

David Semper studierte an den Staatlichen Akademien der Bildenden Künste in Stuttgart und Karlsruhe, war Meisterschüler von Leni Hoffmann. Lebt und arbeitet in Neuss. Zwei Werkserien dominieren die beiden Hauptausstellungsräume in der Wuppertaler Galerie: „Nischen“, die auf seinen Erfahrungen mit Papiereinlassungen in Wände basiert, und „Kymation“, die er seit 2012 mit Eierschalen erstellt. Bei beiden, rein weißen Serien steht der Umgang mit dem Material und seiner inneren Logik im Zentrum. Er bezieht bewusst das Material der Wand ein, in der sie eingeschlossen sind. Eine Woche lang bereitete Semper die Ausstellung vor, setzte sich mit den Galerieräumen auseinander, schnitt seine Reihen passgenau auf sie zu. Die so entstandenen neuen Verbindungen von Architektur und Kunstwerk bieten Raum für Assoziationen. Semper moderiere einen bildhauerischen Dialog zwischen Innerem und Äußerem, Organischem und Anorganischem, so das sich das Wesen des einen in das Wesen des anderen verwandele, beschreibt Hengesbach.

Verletzlich-Zartes dringt in Robustes und verletzt es

Bei „Nischen“ stehen leicht gebogene, flache DIN A3- oder DIN A4-Papierbögen aus strengen Wandeinschnitten heraus, brechen das Licht, bilden wandelnde Schatten, schaffen Volumen. Ein Spannungsverhältnis zwischen Filigranem und Weichem zu Monumentalem und Hartem entsteht. Vier „Nischen“ hat Semper in die Galerie in unregelmäßig-regelmäßiger Reihe „gehängt“, eingefroren in ihrer tänzerisch anmutenden Bewegung. „Die Papiere wenden sich zu und wieder ab, blähen sich Segeln gleich, nur fehlt hier der Wind“, schwärmt Hengesbach.

Auch die mit Eierschalen erstellten friesartigen Ornamente, die Semper im hinteren Raum der Galerie zu einer Art Zierleiste an drei Wänden angeordnet hat, arbeiten mit Licht und Schatten. Dabei spielen die Gegebenheiten des Raumes mit seinen Eckfenstern und die Form der einzelnen Rundung eine Rolle - je nachdem, wie die Eikuppe beschaffen war, die er verwendet hat. Was aus der Ferne absolut gleichförmig wirkt, ist in der Nähe unterschiedlich tief (zwischen 1,5 und 2 Zentimetern), enthält Reste der Schale oder Eihaut, ist eigelblich verfärbt oder einfach nur matt. Indem die verletzliche Eierschale einen Eindruck in der vermeintlich robusten Wand hinterlässt, verkehren sich die Begriffe.

 Bei den zwei Arbeiten der Reihe „Erosion“ und dem Werk „Contatto#1“ beschäftigt sich Semper mit dem Material Gips. Er befestigt (DIN A5 bis DIN A4) kleine, intensiv bearbeitete, weiße Rigips- beziehungsweise Alabaster-Platten mit Federstahldraht schräg an der Wand. Lichteinfall und verschieden dünne Fläche erzeugen hier immer wieder andere Ansichten.

Eine eigene Geschichte hat das 160 mal 80 Zentimeter große Werk „Geister“, das Semper bei einem Stipendium im Künstlerhaus Schloss Balmoral aus einer Arbeitstischplatte fertigte. Sein Ziel: die unterschiedlichen Materialzustände der Spanplatte zu erfahren. Dafür bearbeitete er sie mit Grafitstift und -pigment, bis sie ihre Gebrauchsspuren freigab. „Eine fast detektivische Arbeit“, erinnert er, die die Geister der Platte weckte. Dem Künstlerhaus spendierte er eine neue Arbeitsplatte.

Der Arbeit gegenüber sind in der Galerie zwei grünlich schimmernde, zusammengefügte Rechtecke aufgebracht, die er im Abstand von zwei Wochen mit Efeuabrieb behandelt und mit einer Reißnadel durchzogen hat.

So wie Steinmetze helle Steine mit Pflanzen bearbeiten, um Linien herauszuarbeiten. „Sentenzen“ verändert sich mit der Zeit, weil das Chlorophyll entweicht - die ältere Hälfte ist stets etwas blasser.

Die Ausstellung ist Sempers erste in der Hengesbach Gallery. Man kannte sich schon länger indirekt, erzählt Hengesbach. Im letzten Jahr dann überzeugte den Galeristen eine Arbeit des Künstlers an einem denkmalgeschützten Haus im Künstlerdorf Worpswede. Dabei hatte er das Backsteinwerk der Außenmauer mitaufgenommen.

2020 übernahm Hengesbach die Vertretung des Künstlers.