Konzert Ihr Lieblingskomponist ist immer der, den sie gerade spielt

Die 90-jährige Larissa Pertschuk gibt am 1. März ein Klavierkonzert in der Citykirche.

 Larissa Pertschuk am Flügel – und in ihrem Element.

Larissa Pertschuk am Flügel – und in ihrem Element.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Als die alte Dame sich an den Flügel setzt, beginnen die Finger zu tanzen, schweben treffsicher über die Tasten, erfüllt eine wunderbare Melodie den Kirchenraum. Larissa Pertschuk ist in diesem Moment in einer anderen Welt. Ihrer Welt, die die der klassischen Klaviermusik ist. Dass die Konzertpianistin 90 Jahre alt ist, ist weder ihr noch ihrem Spiel anzumerken. Am 1. März können die Wuppertaler Pertschuks Spiel beim Klavierkonzert in der Citykirche Elberfeld genießen.

Vor etwa zehn Jahren lernten sich Ursula Schütz und Larissa Pertschuk bei den jüdischen Kulturtagen kennen. Sie freundeten sich an. Die heute 71-jährige hilft dem Ehepaar Pertschuk im Alltag und ein bisschen bei der deutschen Sprache, die Pianistin gibt Tipps beim Klavierspiel. „Eine Win-win-Situation“ sei das, erzählt Schütz. Die ehemalige Bereichsleiterin in einem Metall verarbeitenden Betrieb liebt Kultur, Musik, Literatur, weiß sich darin mit Larissa Pertschuk einig. Nun hilft sie beim Konzert, das der Freundeskreis Neue Synagoge um seinen Vorsitzenden Stefan Kühn organisiert. Der hatte die Konzertpianistin im Juli letzten Jahres bei einem Konzert in der Alten Synagoge erlebt und entschieden, dass ihr Spiel an anderer Stelle zu hören sein müsse, wo der Zugang nicht durch Sicherheitsvorkehrungen eingeschränkt sei, so Schütz.

Als Larissa Pertschuk fünf Jahre alt war, überredete sie ihre Mutter, wie ihre ältere Schwester Klavierunterricht nehmen zu dürfen. Die Familie lebte 1934 in dem kleinen ukrainischen Dorf Dnjepropetrowsk, das zur Sowjetunion gehörte. „Es gab nur einen Lehrer, der alles machte“, erinnert sich Larissa Pertschuk. Nachdem die Familie 1936 nach Taschkent (Usbekistan) umgezogen war, wurde die musikalische Begabung erkannt. Larissa erhielt ein zehnjähriges Stipendium an der am Konservatorium angeschlossenen Musikschule, das sie 18-jährig mit Auszeichnung abschloss. Von 1947 bis 1952 folgte das Musikstudium am Konservatorium selbst.

Danach arbeitete sie als Klavierlehrerin und machte sich als Konzertpianistin einen Namen. 1957 siedelte sie nach Stawropol, 1977 nach Mineralnye Wody (Nordkaukasus) über, wo sie ihre Fähigkeiten in einer staatlich geförderten Organisation einbrachte, die Wissenschaft und Kunst förderte. Der Zusammenbruch der Sowjetunion bedeutete das Ende dieser Aktivitäten. Larissa und Alexej Pertschuk entschlossen sich auszuwandern.

Die Wahl fiel auf Deutschland, weil dort ihre Tochter lebt und weil Larissa die deutsche Kultur liebt. Schon in der Schule hatte sie deutsche Gedichte übersetzt, hatte sich am Konservatorium mit Briefen und Dokumenten deutschsprachiger Musiker beschäftigt, hatte etwa Briefe von Leopold und Amadeus Mozart übersetzt.

Probleme mit den Augen
zwingen zum auswendigen Spiel

Musik sei ihr Leben, sagt Larissa Pertschuk. Die Arbeit als Musiklehrerin habe immer dann Freude gemacht, wenn sie gute und fleißige Schüler hatte. Sie selbst übt heute noch täglich. Auf einem normalen und einem Elektroklavier mit Kopfhörer, um einen Nachbarn nicht zu stören. „Die Finger wollen nicht mehr so im Alter“, sagt sie bescheiden. Probleme mit den Augen zwingen zum auswendigen Spiel.

Sie teilt Rubinsteins Überzeugung: „Einen Tag nicht üben, bemerke man selbst, zwei Tage nicht üben, bemerken die Kollegen, drei Tage nicht üben, bemerkt das Publikum.“ Lieblingskomponist sei immer der, den sie gerade spiele. Vielleicht aber auch Chopin mit seinen Klavierkonzerten.

2002 reisten Larissa und Alexej Pertschuk, Akkordeonspieler und Musiklehrer wie sie, aus. Sie kamen über die Erstaufnahmeeinrichtung Unna-Massen nach Solingen, das ihnen „als gute Stadt für Rentner“ empfohlen worden war. Im selben Jahr fanden sie eine Wohnung in Wuppertal, das ihnen zur zweiten Heimat wurde. Manchmal geht sie mit Ursula Schütz ins Kino, wenn dort Aufführungen der Metropolitan Opera übertragen werden. Nach Russland reist sie nicht mehr, das sei zu anstrengend, ihr Sohn, der in Russland lebt, kommt einmal im Jahr zu Besuch. Zum Konzert im März reist wohl die Tochter, die in Mönchengladbach lebt. Und ihr Mann zeichnet das Konzert mit der Videokamera auf.