Wuppertal Konzert ließ Herzen höher schlagen
Die Sinfoniker unter Gastdirigent Jonathan Stockhammer sowie Solist Pavel Berman begeisterten das Publikum.
Wuppertal. Das Publikum war sich einig, als der letzte Ton der Ouvertüre von Michail Glinkas phantastischer Oper „Ruslan und Ljudmila“ verklungen war: Das war eine tolle Matineevorstellung des Sinfonieorchesters unter dem Gastdirigenten Jonathan Stockhammer.
Eine andere Interpretation der stehenden Ovationen nach zweieinhalb Stunden im Großen Saal der Stadthalle gibt es nämlich nicht. Mit dieser zugkräftigen Zugabe wurde das vierte städtische Sinfoniekonzert gekrönt, das bereits während des offiziellen Programms die Herzen höher schlagen ließ.
Angefangen hatte der Vormittag mit zwei Werken von Jean Sibelius. Der finnische Komponist wird gerne als nationaler Romantiker, als Schreiber von Programmmusik gesehen. Doch der Schein trügt. Klar hat sein Oeuvre nationalen Charakter. Doch seine Werke fußen auf rein muskalischen Ideen. „Ich bin kein literarischer Musiker, für mich beginnt Musik da, wo das Wort aufhört“, so ein Zitat von ihm. Es kam Sibelius also wenig darauf an, illustrativer Programmatik oder Naturschilderung nachzustreben. Seine frühen Kompositionen, darunter die präsentierte Karelia-Suite op. 11, sind gekennzeichnet von großer Klang- und Farbenkraft.
Stockhammer und die städtischen Sinfoniker vermittelten dies anhand der drei Sätze blendend, wofür unter anderem nuanciert aufeinander abgestimmte Orchestergruppen und klar herausgearbeitete Stimmführungen sorgten.
Zu der zweiten Schaffensperiode von Sibelius gehört das Violinkonzert in d-Moll op. 47. Impressionistische Züge fließen mit in seine Musik ein. Auch dieses Kolorit kam mustergültig von der Bühne.
Hinzu gesellte sich mit Pavel Berman ein erstklassiger Solist. Schlicht, ruhig, um seine Person kein Aufhebens machend stand er vorne an der Rampe und entlockte der Stradivari-Geige unglaublich schöne Töne. Ein Musikant war zu erleben, der mit herrlicher musikalischer Lyrik im zweiten Satz betörte und dem Schlusssatz tänzerischen Schwung verlieh. Seine brillante Virtuosität paarte sich mit hoher Emotionalität und einer spannungsgeladenen Gestaltung von musikalischen Linien.
Dementsprechend wurde Berman mit Bravo-Rufen und stehenden Ovationen bedacht. Auch das Orchester zollte ihm seinen Respekt. Traumhaft schön spielte er ein Stück von Johann Sebastian Bach als Dank dafür. Im Gegensatz zu Sibelius sind bei Pjotr Iljitsch Tschaikowski auch außermusikalische Inhalte verarbeitet. Seine vierte Sinfonie in f-Moll, op. 36 zeugt davon.
Allein die Einleitung — Kernidee des gesamten Werks — spiegelt mit ihren mächtigen Fanfarenklängen das Bild einer bedrohlichen, rücksichtslosen, dem Menschen feindlichen Ge-walt wider.
Es ist Geschmackssache, ob man dieses Orchesterwerk schnell und zackig oder gemäßigt beginnt. Beide Sichtweisen sind jedenfalls anerkannt. Stockhammer, der bereits Anfang der Spielzeit mit für eine großartige Premiere der Video-Oper „Three Tales“ von Beryl Korot und Steve Reich im Wuppertaler Opernhaus sorgte (wir berichteten darüber), bevorzugte die zweite Variante. So wurde das bewegte, leidenschaftliche Drängen des Hauptteils unverhohlen vorbereitet, der hochdramatisch weiterentwickelt wurde.
Konnte man im zweiten Satz melancholische Stimmungen nachverfolgen, faszinierte anschließend das Zusammenspiel von der absolut synchron zupfenden Streicherabteilung mit den Holz- und Blechbläsern. Die kultiviert gespielten Variationen über das russische Volkslied „Auf dem Felde eine Birke stand“ im Finale gipfelten schließlich in einen klangprächtigen Schlussakkord. Wie aus einem Guss kam diese tief ausgelotete Sinfonie daher.