Lulu - eine Frau, die nur für sich kämpft

Martina Welschenbach singt ab Samstag die Titelrolle in Alban Bergs Oper.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Es ist ein greller gesellschaftlicher Zirkus: Viele Männer und eine Gräfin verlieben sich in die Lulu, leiden an Lulu — die meisten überleben die Beziehung zur ihr nicht. Martina Welschenbach singt die Titelrolle im Opernhaus.

Frau Welschenbach, Sie haben drei Jahre als Mezzosopranistin im Zürcher Opernhaus gesungen und haben dann auf Sopran umgeschult. Wie kommt das?

Martina Welschenbach: Bei jungen Stimmen braucht es wahnsinnig lange, bis man selber und auch die Menschen um einen herum merken, was das richtige Stimmfach ist. Dazu kommt, dass ich nicht aus einer Musikerfamilie stamme — mein Vater war zwar am Theater, aber als technischer Direktor. Und ich habe in verschiedenen Ländern studiert, wo die Geschmäcker unterschiedlich sind.

Wie lange dauert ein Wechsel ins andere Stimmfach?

Welschenbach: Die Umstellungsphase ist schon sehr lang, weil es dauert, bis die Stimm-Muskulatur das kapiert.

Wie stehen Sie zu der Figur Lulu, der alle Männer verfallen?

Welschenbach: Für die Männer ist sie wahrscheinlich anstrengend, für sich selbst nicht. Ich habe Freude an diesem Charakter, der nur für sich einsteht und nur für sich kämpft.

Macht Lulu eine Entwicklung durch?

Welschenbach: Die Figur hat eine ausgesprochen schöne Energie. Nachdem wir die Szene mit dem Professor und dem Neger (die Rolle heißt so, Anm. der Red.) geprobt hatten, konnte ich nicht schlafen.

Es ist ja auch eine sehr große Partie . . .

Welschenbach: Das ist eine der anspruchsvollsten Partien, die ich bisher gesungen habe — und das nicht nur, weil ich von den drei Spielstunden nur zehn Minuten nicht auf der Bühne stehe. Es gibt auch keine Stelle in dieser Oper, die nicht spannend ist. Man spielt permanent miteinander.

Haben Sie zur Vorbereitung ein spezielles Konditionstraining gemacht?

Welschenbach: Ich habe eine ziemlich gute Kondition durch meine bisherige Karriere.

Welche Anforderungen stellt Alban Bergs Zwölftonmusik?

Welschenbach: Ich habe kein absolutes Gehör, sondern lerne in Harmonien — und die sind bei Berg nicht so leicht. Man denkt erst mal Takt für Takt, es ist nicht wie Puccini, wo alles fließt. Es braucht lange, um die Musik in den Körper zu bekommen. Aber wenn man es einmal verinnerlicht hat, macht es total Spaß. Es gibt wirklich wunderbare Linien in dieser Musik.

Wie lange haben Sie sich auf die Partie vorbereitet?

Welschenbach: Lulu lernt sich nicht in drei Wochen. Letztlich beschäftige ich mich seit fast einem Jahr mit der Partie - nicht ausschließlich allerdings. Man kann sie auch nicht für sich allein üben, sondern braucht einen Pianisten, bis die Musik sitzt.

Ihre Tochter ist eineinhalb Jahre alt. Wie bringen Sie Proben und Auftritte in der Oper mit deren Tagesrhythmus zusammen?

Welschenbach: Es geht gut mit Kind, weil ich eine wunderbare Mutter habe, die dann wochenlang bei uns wohnt. Wir haben in Wuppertal eine Wohnung gemietet, dann geht das schon. Leider kann sie nie eine Vorstellung anschauen. Wenn mein Mann da ist — er ist Tänzer — möchte er mich ja auch mal auf der Bühne sehen.

Wie reagierte Ihre Tochter auf den Gesang?

Welschenbach: Sie mag es nicht besonders, wenn ich singe. Das verbindet sie wohl mit „Gleich geht Mama weg“.