Macbeth-Premiere: „Die Zuschauer werden zu Mittätern“
Das Shakespeare-Drama eröffnet die Schauspiel-Saison.
Wuppertal. "Diesmal wird sich keiner ausziehen." Claudia Bauer lacht - wohl wissend, dass sie mit ihrer ersten Inszenierung in Wuppertal ("Im Dickicht der Städte") so manchen Zuschauer verblüfft, verunsichert, gar verschreckt hat.
Nun, bei "Macbeth", sollen sich ihre Gäste mehr auf das Innenleben der Figuren als auf äußere Auffälligkeiten konzentrieren. Zumindest an der Kleiderwahl soll sich keiner reiben. "Wir wollen ja niemanden aufregen", sagt die Regisseurin. Ein Schelm, wer hinter diesem Versprechen einen Hauch Ironie erkennt.
Ob das Publikum bei ihrer zweiten Wuppertaler Arbeit weniger Gesprächsstoff haben wird als bei der ersten, darf trotzdem bezweifelt werden. Schließlich geht’s um einen mörderischen Plan und eine sagenhafte Geschichte: Am Rand einer Schlacht, die er für seinen König Duncan schlägt, wird Macbeth ein Aufstieg prophezeit. Seine Frau sonnt sich schnell in neuer Macht: Sie treibt ihren Gatten an, den König zu ermorden und sich damit tatsächlich die Krone aufzusetzen.
"Macbeth ist der brutalere Bruder von Hamlet", betont Bauer mit Blick auf bekannte Titelhelden. "Mit ,Macbeth’, ,Hamlet’ und ,Othello’ hat Shakespeare die Tür zur modernen Psychologie aufgestoßen." Wenn sich am kommenden Samstag die Pforte zum Kleinen Schauspielhaus öffnet, soll es deshalb tief greifende Einsichten geben: "Das Publikum kann Macbeth beim Hadern, Denken und Kämpfen mit sich selbst zusehen." Genau darin erkennt Bauer auch den Reiz der Tragödie: "Wir werden zu Mittätern und Komplizen - weil wir in Macbeths Motive hineingezogen werden. Wir begleiten den Karrieresüchtigen auf seinem Weg nach oben."
Spannend, zeitlos und aktuell sei das Drama, an dem Bauer vor allem diese Fragen interessieren: "Wie weit würde man selbst gehen? Was macht man, um auf der Karriereleiter nach oben zu gelangen?"
Macbeth geht über Leichen, so viel ist klar. "Er kämpft letztlich gegen seinen Anspruch an die Welt, deshalb ist das Stück auch so modern", sagt Bauer. "Viele scheitern an den Vorstellungen von dem, was sie sein könnten, und an den Erwartungen an das, was die Welt ihnen geben soll."
Auch das kann schon verraten werden: Die Regisseurin setzt auf ein Quintett. Neben Holger Kraft (Macbeth) und Sophie Basse (Lady Macbeth) sind Daniel Breitfelder, Sebastian Stert und Marco Wohlwend mit von der Partie. Sie mimen die drei Hexen und übernehmen im Laufe des Stücks alle Figuren, denen Macbeth und Lady Macbeth begegnen. "Die Hexen sind so etwas wie Spielleiter, die das Paar immer wieder vor neue Aufgaben stellt", erklärt Bauer, die in Wuppertal eine Expertin für Beziehungsfragen geworden ist.
Nach dem Brecht-Stück "Im Dickicht der Städte" geht es auch diesmal wieder um das Thema Intimität. Und selbst wenn die Figuren nicht alle Kleider von sich streifen: Auch bei "Macbeth" ziehen sie sich in gewisser Weise aus - sie entblößen sich seelisch.