Schauspiel „Wuppertal umweht ein besonderer Theatergeist“

Maresa Lühle gehörte neun Jahre dem Ensemble an. Sie freut sich, nun zu einem Gastspiel ins Theater am Engelsgarten zurückzukehren.

Maresa Lühle  und Peter Wallgram arbeiten wieder zusammen in Wuppertal.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Sie ist verliebt in eine Stadt und ihre Menschen. Maresa Lühle, im emsländischen Lingen geboren, wohnhaft in Hamburg, hat in Wuppertal ein Stück Heimat gefunden. Neun Jahre gehörte sie dem Schauspiel-Ensemble an, bevor sie es im Jahr 2013 verließ. Damals, als Geldnot einen harten Schrumpfungsprozess bei den Bühnen erzwang. Nun kehrt sie zu einem Gastspiel zurück, freut sich riesig, wohnt natürlich nicht im Hotel, sondern bei einer früheren Nachbarin, nutzt den Aufenthalt, um Freunde von damals zu treffen.

„Der Drang“ von Franz Xaver Kroetz hat die Schauspielerin, die in der Hansestadt vor allem als Sprecherin arbeitet, nach Wuppertal gebracht. Ein Stück, das in der letzten Spielzeit Premiere feierte und sehr gut vom Publikum angenommen wurde. An drei Tagen im Februar und März soll es nun wieder auf die erdige Bühne im Theater am Engelsgarten. Los geht es am heutigen Samstag.

Der Spieltrieb wurde ihr in die Wiege gelegt, „in meiner Familie wurde viel rezitiert“, erinnert sich die heute 42-Jährige. Nach dem Abitur wirkte sie zunächst in einem theaterpädagogischen Zentrum in Lingen mit, entdeckte dort „die Bühnensau“ in sich und wechselte nun zielstrebig zur Schauspielschule Saarbrücken, „weil die von einem Schüler von Tabori geleitet wurde“. Die Nachwuchsschauspielerin stand kurz vor einem Projekt mit dem verehrten Regisseur, als Wuppertal mit einer Stelle im Ensemble dazwischen funkte. 2004 zog sie in die „ehrliche Stadt“, die sie schon als Kind gereizt hatte, mit ihrer Schwebebahn und einem Stoffladen, in dem die Mutter eingekauft hatte. Die vor allem auch ein Schauspielhaus hatte, an dem große Leute wie Peter Zadek gearbeitet hatten. „Wuppertal umweht ein besonderer Theatergeist, den ich im Schauspielhaus gefunden habe“, schwärmt sie und ergänzt vor der heute schwierigen Finanzsituation: „Wuppertal braucht Theater.“

Immer Kontakt zu  den Menschen und der Stadt gehalten

Das findet seit 2014 auch im Theater am Engelsgarten statt, „ganz nah am Publikum“, das ehrlich, echt, treu sei. „Obwohl ich sieben Jahre weg bin, treffe ich immer noch alte Gesichter.“ Eines davon ist Intendant Thomas Braus, mit dem sie immer wieder gemeinsame Lesungen in Wuppertal veranstaltet. Ein anderes Peter Wallgram, der in Lingen studierte, in ihrem Heimatort seit sieben Jahren Sommerfestspiele und nun „Der Drang“ inszeniert. Mit Maresa Lühle verbinden ihn seine ersten beiden größeren Regiearbeiten in Wuppertal. Nachdem er 2007 als Regieassistent am Haus angefangen hatte.

Sie sprechen die gleiche Bühnensprache, hielten Kontakt, und als Kroetz’ Stück auf den Spielplan sollte, war Lühle als Hilde gesetzt. Eine Hilde, die sich Lühle erst erarbeiten musste. Weil diese pragmatisch, willensstark sei, während sie selbst eher intuitiv und emotional vorgehe. So dass sich die Liebe zum Stück erst beim zweiten Lesen einstellte. „Das Stück ist auf jeden Fall eine Bereicherung für mich“, findet Lühle nun. Beide loben die bayerische dreckige Direktheit, die immer mit einem Funken Liebe daherkomme. Einer Liebe, nach der sich alle sehnen. „Wir wollen nicht brüskieren, sondern berühren“, sagen sie. Das doppeldeutige Stück sei voller „umwerfender tragischer Komik“, geschrieben von einem genialen Autoren, der die Geschichte so komponiert habe, dass sie gut funktioniere. „Die Idee, dass ein Fremder in eine Gruppe kommt wie ein Hefepilz in eine Nährlösung, so dass diese plötzlich explodiert“, fasziniert sie sichtlich.

Dieser Fremde ist Fritz (Konstantin Rickert), der wegen Exhibitionismus verurteilt worden war und aus dem Gefängnis entlassen wird. Er kommt bei Schwester Hilde (Maresa Lühle) und Schwager Otto (Stefan Walz) unter, die eine Friedhofsgärtnerei (deshalb die Erde auf der Bühne) betreiben. Vierte im Bunde ist die Angestellte Mitzi (Philippine Pachl). Während Fritz seinen Drang medikamentös unter Kontrolle hält, bringt er die drei in allerhöchste Bedrängnis.

Nach dem Erfolg in der letzten Spielzeit, war die Wiederaufnahme klar, die freilich nicht 1:1 verlaufen muss. Weil sich beim erneuten Lesen Neues ergibt und beim Zusammenspiel eine Eigendynamik entwickelt, so dass das Geschehen mal mehr tragisch, mal mehr komisch ausfällt. Und gegen das chronische Lampenfieber helfen Riten wie das gemeinsame Einsingen.