Weißenborns verbaschieden sich mit Marionetten-Basar Zu jeder Puppe gibt es viele Geschichten und Erinnerungen

Mit ihren Marionetten, die sie zusammen mit Accessoires und Kulissenresten gerade zu einer einmaligen Ausstellung zusammentragen, die am 30. August für fünf Stunden offenstehen wird.

 Auch eine große Pappkuh gehört zum Ensemble von Ursula Weißenborn.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Es soll ein Abschied werden und auch ein Wiedersehen. Wunderschön und schmerzhaft zugleich. Mit ihren Marionetten, die sie zusammen mit Accessoires und Kulissenresten gerade zu einer einmaligen Ausstellung zusammentragen, die am 30. August für fünf Stunden offenstehen wird. Liebevoll dekorieren Ursula und Günther Weißenborn und ihre Helfer die Räume ihrer langjährigen Spielstätte am Neuenteich. Aufführungen gibt es keine mehr. Der Versuch mit 37 Jahren Müllers Marionettentheater abzuschließen, „tut in der Seele weh“, sagt der Dramaturg, der weiß, dass er sich von einem Gutteil der Marionetten nicht trennen können wird.

Sie hatten mal 700 Puppen, nach dem Starkregen vor gut zwei Jahren, der auch den Keller des Theaters nicht verschonte, wurden es deutlich weniger. Die meisten hat Ursula Weißenborn selber gefertigt. Feine, detailreiche Kunstwerke, die zugleich überaus beweglich sein können. Das Virtuose habe sie an den Marionetten gereizt, wie man mit ihnen spielen könne, antwortet sie auf die Frage, wie sie zu den Marionetten fand. Auch jetzt, beim Aufbau der Ausstellung, funktioniere die Anziehungskraft noch, „dass man möchte, dass sie sich bewegen und ihre Geschichten erzählen“. Auch nach über 30 Jahren und hunderten von Vorstellungen fühle sie intuitiv, ob die Atmosphäre stimme, rund sei. Warum eine Geschichte mit Figuren erzählt werden müsse. Bei der Fertigung reize sie die Möglichkeit, Persönlichkeiten zu entwickeln und nach eigenem Geschmack zu verändern.

Ein sehr hartes Jahr wegen der Corona-Pandemie

Den Marionetten-Basar am Sonntag will Weißenborn denn auch nicht wörtlich verstanden wissen. Es gehe nicht ums Geld, auch wenn das Jahr schrecklich gewesen sei - weil sich der Wunsch, das Theater an Nachfolger übergeben zu können, nicht erfüllte. Weil der coronabedingte Lockdown von jetzt auf gleich die Einnahmen wegbrechen ließ, während die Betriebskosten weiterliefen. Weil die Gespräche mit potentiellen Nachmietern und Hausbesitzerin noch nicht zum Abschluss gekommen sind. Weil sich auch die Verhandlungen mit interessierten Museen, die einen Teil der Marionetten als Dauerleihgabe übernehmen wollen, verschieben. Wichtige Angelegenheiten, die abgeschlossen sein müssen, bevor das Paar, sie 63 er 69 Jahre, wirklich in Rente gehen, die 63-jährige Künstlerin malen, der 69-jährige Autor in Ruhe schreiben kann.

Im Sommer, als es schon keine Aufführungen mehr gab, haben die Weißenborns sieben Stücke gefilmt und alle verbliebenen Puppen professionell fotografiert. 250 lagern auf dem Dachboden, etwa hundert werden gerade aufgebaut. Alles Unikate wie die weiße Frau, ein Double von Eugénie, die aus Bändern der Bandfabrik Kromberg für die Pariser Modemesse „Premiere Vision“ gefertigt wurde.

Oder der große knalligrote Feuervogel, der auf Drahtgestell und Holzkreuz montiert wie ein großer Flieger geführt werden kann. Die hässliche Hexe mit grünem Kopf und kunstvoll-vielschichtigem Gewand, die „ein richtiges Mistvieh“ sein konnte, so Ursula Weißenborn.

Der riesige Hartschalenkoffer, der auf einen Zeitungsaufruf ins Haus fand, von Praktikanten des Schulkollegs restauriert und in Francis Poulencs Geschichte von Babar eingesetzt wurde. Das Bühnenbild von „Peter und der Wolf“, das des Transports wegen das Packmaß einer Ente (2 CV) haben musste. Die große Pappkuh „mit Ausdrucksmöglichkeiten“ (also beweglichem Schwanz und Kopf), die zu einer Geschichte Weißenborns gefertigt wurde, in der zwei (Papprollen-)Orgelpfeifen aus ihrem langweiligen Leben ausbrechen.

Zu jeder Gestalt, jedem Ausstattungsrelikt gibt es mehrere Geschichten, Erlebnisse, Erinnerungen an Menschen. An Ensemblemitglieder wie Heinz Overath, der einen Leiterwagen oder ein Segelschiff schreinerte, diese liebevoll ausstattete mit Glocke oder Kanonenfeuer. An Uwe Rössler, dem Weißenborn als unsichtbarer Geist eines Pianos schwierigste Improvisationsaufgaben stellte.

Ein Stück ragt dennoch heraus, dessen lebensgroße Protagonisten „nur“ nach Ursula Weißenborns Plänen aus ausgemusterten Instrumenten gefertigt wurden. „Die Geschichte vom Soldaten“ von Strawinsky führten die Puppenspieler als Teil des Wuppertaler Sinfonieorchesters auf der Opernbühne auf, feierten umjubelte Gastspiele. Der Soldat wurde aus einem Cello, der Teufel aus einer E-Gitarre, König und Prinzessin aus Trommelteilen gebaut - sie werden auch beim Marionetten-Basar zu sehen sein, aber verkaufen will sie Weißenborn nicht.