Musik beflügelt: Ein Sinfoniker schwimmt auf der Erfolgswelle

Der Wuppertaler Violinist Jürgen Stinzendörfer ist auch Vize-Europameister im Freistil.

Wuppertal. Wenn Profi-Musiker ins Schwimmen kommen, kann ihnen das schon mal eine Rüge vom Chef-Dirigenten einbringen. Nicht so bei Jürgen Stinzendörfer, der in der Riege der ersten Violinen des Wuppertaler Sinfonieorchesters zu Hause ist.

"Als ich im September bei den Master-Meisterschaften der Europa-Wettkämpfe in Cadiz in Spanien im Schwimmen angetreten bin, habe ich sogar von Herrn Kamioka freibekommen. Aber selbstverständlich musste ich eine Vertretung stellen", sagt er.

Natürlich ist der sympathische 45-Jährige, der gerne lacht und seine Worte genau abwägt, stolz, zusammen mit Peter Nocke in der Mannschaft der Freistil-Staffel Vize-Europameister und in der Lagen-Staffel Deutscher Meister geworden zu sein. Das Schwimmen ist für Stinzendörfer, der als Wasserballer begonnen hat, ein Ausgleich zum Beruf: "Denn Orchestermusiker ist ein Beruf wie jeder andere." Damit meint er: mit Höhen und Tiefen, mit Lust und Unlust behaftet - je nach Tagesform und Aufgabe.

Die Pflicht fällt von ihm ab, wenn er frühmorgens, manchmal um sechs Uhr, seine Bahnen im Leistungszentrum auf den Südhöhen oder im Sommer im Bad der Wasserfreunde am Bendahl zieht. Hat er noch weitere Hobbies? "Ja, ich lese gern, betreue meine Schallplattensammlung von mehr als tausend Stück und fahre Motorrad."

In Würzburg hat Stinzendörfer das Konservatorium besucht und zunächst Musik auf Lehramt studiert. Ab 1987 absolvierte er das Aufbaustudium Violine mit dem Abschluss der künstlerischen Reifeprüfung an der Musikhochschule Düsseldorf. 1992 gab es für ihn eine Praktikantenstelle beim Wuppertaler Orchester, 1993 folgte die Festanstellung.

"Ich gehöre ja auch schon zu den ‚Alteingesessenen’, habe noch unter Peter Gülke gespielt und später unter George Hanson", sagt er. "Toshiyuki Kamioka ist bis jetzt mein bester Chef. Er ist konsequent und impulsiv. Er kann mitreißen und will immer das Beste erreichen."

Der Violinist, der vor allem das Spiel in der Oper liebt, bedauert es sehr, dass Kamioka keine Opern mehr dirigiert. Mit seinen Kollegen fühlt er sich verbunden, obwohl er die intensivsten Kontakte zu den Schwimmern hat: "Das sind richtige Kumpel."

Am Orchester schätzt er, dass gemeinsames Spiel auf hohem Niveau das Publikum mitreißt: "Das trägt einen." Höhepunkte sind für ihn Konzerte, bei denen er die Musik auch selbst genießen kann: "Dazu gehört Musik von Bach, Mozart und Strauss. Wenn man in Mu-

sik eintauchen kann, kommt man intuitiv dem Komponisten näher. Und wenn Musik einen anspricht, spielt man auch anders."

Und was haben Schwimmen und Musizieren gemeinsam? "Man muss bei beiden Disziplinen etwas auf den Punkt bringen und richtig gut vorbereitet sein." Bei seinem vollen Einsatz in beiden Bereichen kann im Sommer 2010 bei den Schwimm-Weltmeisterschaften in Göteborg ja eigentlich nichts schief gehen. "Gottlob ist das in den Sommerferien - da brauche ich keine Vertretung fürs Orchester."