„Pina“: Wim Wenders dreht 3D im Schauspielhaus
Das Tanztheater arbeitet an „Pina“: Was so leicht aussieht, ist ein millionenschweres Pilotprojekt in neuer 3D-Technik.
Wuppertal. Was zieht man an, wenn Wim Wenders mit seinem Filmteam anrückt? Unkonventionelles. Und das sieht so aus: Grüne Clogs zum rosafarbenen Abendkleid oder eine viel zu weite Turnhose über der eigentlich eng anliegenden Gala-Robe - wenn der Kult-Regisseur zur Arbeit ruft, scheint dies für Tänzer in Wartestellung und Zwiebel-Look die ideale Kombination zu sein. Und Wenders selbst? Der freut sich, dass im Schauspielhaus alle so locker sind, schlendert mit Jeans und Turnschuhen über die Bühne, scherzt hier, lächelt dort, gibt letzte Anweisungen und formuliert erstes Lob.
Keine Frage: Der Filmemacher ist hochkonzentriert bei der Sache, aber auch gelöst und gut gelaunt. Hatte er vor sechs Monaten noch im Opernhaus gedreht, verfolgt er nun im Schauspielhaus bewegende Ziele: "Pina" wird der erste abendfüllende 3D-Tanzfilm. Da sind die Erwartungen nicht gerade klein - weder die des Publikums noch die der Macher.
Das Millionenprojekt startete deshalb mit großer Sorgfalt: Gut abgeschottet hatte Wenders Proben des Tanztheaters besucht. Im Schauspielhaus drehte er dann bei "normalen" Aufführungen. Jetzt folgt das vielleicht Wichtigste: die Detailarbeit an einzelnen Szenen. Dass Wenders dabei seltene Einblicke gewährt, zeigt, dass die Chemie im Team stimmen muss. Man kennt sich, schätzt sich, neckt sich. Für das Ensemble heißt das seit dieser Woche: Geflirtet wird mit der Kamera - und nicht mit dem Publikum.
Denn der Saal ist leer - fast jedenfalls. Wo sonst menschliche Zaungäste Platz nehmen, thront nun nur einer: ein Kran mit einem langen Arm und zwei Kameras. Zehn Meter Reichweite hat er - und vier Räder, die auch einen Jeep antreiben könnten.
"Das Prinzip ist denkbar einfach", erklärt 3D-Producer Erwin Schmidt die neue Technik. "Wir haben zwei Kameras - für jedes Auge eine. Das Gesamtbild entsteht durch die Überlagerung zweier Bilder." Ganz so einfach, wie es klingt, ist es freilich nicht: Abgesehen davon, dass zwei Kameras auch eine "Verdoppelung möglicher Fehlerquellen" sind, müssen ständig Daten ausgetauscht und Farben angeglichen werden - das übernimmt ein ausgeklügeltes Computersystem, das schon vorher mit allen wichtigen Daten gefüttert wurde.
Ohne sie geht trotzdem nichts: Eine Kamerafrau gibt den Kurs vor und steuert die "magischen Augen" mit zwei Lenkstangen. Wohin genau, ist längst festgelegt, wie Schmidt betont. Denn: "Alles, was man bei den Aufnahmen richtig macht, spart Zeit und Geld in der Postproduktion." So waren die Vorbereitungen mindestens genauso wichtig wie die eigentlichen Drehtage: "Bei den Proben haben wir ein virtuelles Schachbrett-Muster entworfen und festgehalten, welcher Tänzer wann auf welches ,Feld’ geht."
Ein cleverer Schachzug, der sich nun auszahlt. Denn Wuppertal schreibt mit der 3D-Technik Filmgeschichte. "Der Dreh ist ein einziger Lernprozess. Es gibt zwar schon einige 3D-Blockbuster, aber zarte Pflänzchen mit Tiefgang - wie ,Pina’ - entstehen erst jetzt", erklärt Schmidt und strahlt dabei wie ein Seefahrer, der zum ersten Mal eine fremde Insel erblickt. "Wir sind zu einer großen Entdeckungsreise aufgebrochen." Mit Clogs, Galakleidern und guter Laune.