Premiere: "Der Snob" - Ein Gernegroß rechnet ab

„Der Snob“ ist im Schauspielhaus angekommen. Thomas Braus brilliert als hitziger Aufsteiger.

Wuppertal. Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Auch wenn es im Schauspielhaus genau so aussieht. Der Generalintendant sorgt höchstpersönlich dafür: Weil Gerd Leo Kuck auf einen Egoisten setzt, der seinen Kopf nach oben trägt, schaut man der Hauptfigur in Carl Sternheims Komödie am besten nicht nur ins Gesicht, sondern vor allem auch auf die Füße.

Philipp Kiefers moderne Kulisse setzt Akzente und ist ein Muster-Bild an Symbolik. Sie wirkt wie ein halbes Schachbrett und passt damit bestens zum Besitzer der sterilen Wohnung - einem Strategen, der als Generaldirektor in spe die Hosen anhaben will, aber ohne weibliche Unterstützung keine Krawatte binden kann. Wenn’s um die Etikette geht, ist der Gernegroß plötzlich ein kleiner Wicht.

Doch die Welt ist nicht schwarz-weiß, sondern ungerecht. Ausgerechnet der Frau, die Maske Manieren lehrt, ihn selbst und seinen Schlips in Form bringt, geht es an den Kragen: Der Neureiche rechnet mit seinem bisherigen Leben buchstäblich ab, stößt seine Ex-Geliebte Sybil (Julia Wolff) mit einem dicken Scheck und viel Selbstbewusstsein von sich und verleugnet seine Eltern, die mit ihrem kleinbürgerlichen Leben keinen großen Image-Gewinn versprechen.

Braus gibt den Schachspieler par excellence. So schnell, wie sich bei realen Geschäften die Gesichtsfarbe mancher Aktionäre ändert, wenn die Kurse fallen, wechselt auch der Hauptdarsteller seine Stimmung. Der Aufsteiger, der seinen Platz in der gehobenen Gesellschaft sucht, hat ein weitgehend leeres Luxusheim, kein ausgefülltes Privatleben und in bestem Sinne zwei Seiten. Denn Braus sei Dank: Der Snob ist genauso erhitzt wie eiskalt.

Die Blicke von Braus sind so kühl, dass es einem kalt den Rücken herunterläuft - oder so hitzig-hilflos, dass einem (beinahe) warm ums Herz wird. Vor allem in der Hochzeitsnacht: Wenn der Rationalist seine Braut Marianne (Olga Nasfeter) samt Dessous links liegen lässt und ihr ein Bild seiner toten Mutter zeigt, ist das ein satirischer Höhepunkt.

Die bissige Gesellschaftskomödie überträgt Kuck konsequent in die Gegenwart, in der Laptops wichtiger sind als jede menschliche Verbindung. Dabei ist das Buhlen um Anerkennung im Glanz des (Geld-)Adels nicht weniger aktuell als bei der Uraufführung vor fast hundert Jahren. Mit einem Unterschied: Der Machtpokerer von heute nennt sich Wirtschaftsmanager.

Inhalt Durch Berechnung hat es Christian Maske mit 36 Jahren zum Generaldirektor gebracht. Nun fehlt ihm zum wirtschaftlichen Erfolg die gesellschaftliche Anerkennung. Er verleugnet seine Herkunft und fädelt die Heirat mit der adeligen Marianne ein.

Aufführung Die Inszenierung (85 Minuten ohne Pause) ist wieder am 23. November, 19.30 Uhr, zu sehen. Karten: Ruf 569 4444.