Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
Interview „Wuppertal ist ein Stück Heimat geworden“
Der Direktor des Von der Heydt-Museums geht Ende April in den Ruhestand. Im Rückblick spricht Gerhard Finckh über zwölf schöne Jahre und seine Zukunftspläne.
Einmal hat er verlängert, ein zweites Mal kommt nicht in Frage. Gerhard Finckh geht am 30. April in den Ruhestand. Zuvor eröffnet er eine letzte Ausstellung, die Peter Schenck (zirka 1660 bis 1711) gewidmet ist, Erfinder des Farbstichs und „berühmtester Elberfelder - der jemals in Vergessenheit geriet“, sowie seine letzte Sammlungspräsentation unter dem Titel „1919 bis 2019 - 100 Jahre Moderne im Von der Heydt-Museum“. 13 Jahre wird er Direktor des Hauses am Turmhof gewesen sein, das er mit Ausstellungen zu den französischen Impressionisten weltweit bekannt gemacht hat. Im Gespräch mit dieser Zeitung blickt der 66-Jährige zurück, erzählt, warum er beinahe Künstler geworden wäre, wie seine Monet-Ausstellung von 2009/10 zustande kam und was er im Ruhestand vorhat.
Gerhard Finckh: Ich habe als Kind gerne gezeichnet. Die Verwandten haben immer gesagt: Du wirst mal ein Künstler. Ich fand die Vorstellung prima, den ganzen Tag ein Rembrandt zu sein. In der Schulzeit merkte ich dann, dass ich nicht genug Talent habe. Aber da hatte mich die Faszination für die Kunst schon gepackt. Also wendete ich mich der Kunstgeschichte zu.
Was bedeuten Ausstellungen für Sie?
Finckh: Museen leisten große Aufgaben: Sammeln, Bewahren, Dokumentieren und Erforschen sowie Ausstellungen machen. Die Ausstellung ist die Königsdisziplin, in der alles zusammenfließt. Es interessiert mich, Ordnung zu schaffen, Kunstwerke so zu kombinieren, dass sie eine Erzählung liefern, einen anderen Zusammenhang erhalten. Auf diese Weise ästhetische oder moralische oder realpolitische Sachverhalte erklären. Das hat mich immer fasziniert. Und deshalb habe ich immer gerne Ausstellungen gemacht.
Wo liegen Ihre Stärken?
Finckh: Ich glaube, ich kann Dinge relativ gut zusammenbringen.
Ist Museumsdirektor Ihr Traumberuf?
Finckh: Ja, absolut. Im Studium habe ich erst Führungen, zum Beispiel durch die Münchener Pinakothek, gemacht. Später folgten Ausstellungen. Ein Museumsdirektor hat aber noch andere Aufgaben, er bewegt sich in einem kleinen Kosmos aus Mäzenen, Sponsoren oder Kollegen. Und da hat er eine sehr schöne Position, kann sich im wissenschaftlichem Diskurs mit den Dingen beschäftigen. Das ist alles unglaublich vielseitig, macht Spaß.
Sie haben bayerische Geschichte studiert.
Finckh: Zu Anfang meines Studiums habe ich mich Richtung Lehramt orientiert. Und deshalb Germanistik, Kunstgeschichte und Geschichte gewählt. In Bayern gab es die Möglichkeit, bayerische Geschichte und vergleichende Landesgeschichte zu studieren. Ich fand es sehr interessant, einen beschränkten Zeittraum und ein beschränktes Territorium mit den Phänomenen der Welt zu vergleichen. Das hat weniger mit Lokalpatriotismus als mit wissenschaftlicher Methodik zu tun.
Sie haben in vier Museen, der Kunsthalle Emden, dem Folkwang-Museum in Essen, dem Museum Morsbroich in Leverkusen und im Von der Heydt-Museum Wuppertal gearbeitet.
Finckh: Als Student konnte ich schon für das Stadtmuseum München Ausstellungen kuratieren. Nach meinem Studium war für mich klar, dass ich an einem kleinen Haus anfange. Es bot sich die Chance, in Emden anzufangen, wo ich mit Henri Nannen zusammenarbeitete. Es war eine Art Lehrzeit. In Essen war ich zehn Jahre Ausstellungsleiter für Kunst der Gegenwart. Jedes Jahr habe ich sechs, sieben Ausstellungen gemacht. In Leverkusen kamen dann auch ab und an Ausstellungen mit Arbeiten verstorbener Künstler dazu, was mir gut gefiel. In Wuppertal schließlich konnte ich alles machen, aus einem Riesenfundus der Kunst Dinge zusammen- und in eine neue Ordnung bringen, von 2000 vor Christus bis in die allerjüngste Vergangenheit. So dass sie vielleicht einen eigenen Klang erzeugen, einen neuen Blickwinkel auf vertraute Dinge ermöglichen. Ich habe in Wuppertal zwölf glückliche Jahre verlebt.
Warum wurde Ihr Ausstellungsschwerpunkt französischer Impressionismus?
Finckh: Das hat sich aus dem Haus heraus ergeben. Herr Brennscheidt (die Brennscheidt-Stiftung finanziert maßgeblich die Ausstellungsarbeit des Von der Heydt Museums, Red.) fragte mich einmal, was ich von der Schule von Barbizon, Vorläufer der Impressionisten, halten würde. Ich schlug vor, sie in Verbindung mit der damals aufkommenden Fotografie auszustellen. Der Einstieg ins 19. Jahrhundert. Daraus ergab sich die Idee, Renoir auszustellen, und daraus wiederum fast zufällig die Monet-Ausstellung. Denn als ich im Musée Marmottan Monet ein Bild von Renoir ausleihen wollte, interessierte sich die Kuratorin für unsere deutschen Expressionisten. Später schickte sie mir für einen Ausleihtausch eine Liste mit 30 Monet-Exponaten, allerdings frühe Zeichnungen und ein paar späte Seerosenbilder. Ich recherchierte und stellte fest, dass es noch nie eine große Monet-Retrospektive in Deutschland gegeben hatte. Eine Herausforderung. Ich wollte hundert Werke von Monet zusammenkriegen, um auch die mittlere Zeit abzudecken. Und ich habe es tatsächlich geschafft. Die Ausstellung hatte dann 300 000 Besucher, wurde als „Ausstellung des Jahres“ ausgezeichnet. Das war schon beeindruckend. Später folgten dann Sisley, Pissarro, Bonnard, Degas, Rodin und Manet.
War Monet auch Ihr persönlicher Ausstellungshöhepunkt?
Finckh: Einer der Höhepunkte. Ich fand danach die Rubens-Ausstellung noch viel aufregender für mich, weil er einer meiner Lieblingsmaler ist.
Kann Kunst Sie überhaupt noch emotional erreichen?
Finkch: Ja, ganz extrem - selten, aber immer wieder. Nummer eins ist sicherlich der Isenheimer Altar von Grünewald, weil er diesen Moment des Sterbens so unglaublich darstellt. Das zweite ist Holbeins Bild „Der Leichnam Christi im Grabe“, das den im Sarg liegenden Christus zeigt. Das ist für mich immer wieder erschütternd. Als würde ich einer echten Leiche begegnen. Auf der anderen Seite gibt es Bilder aus dem 18. Jahrhundert wie die von Fragonard - mit einer Leichtigkeit, die berührt. Er zaubert mit drei Pinselstrichen eine Welt herbei. Ein Genie, vor dem man sich verneigt. Zum Beispiel sein Bild „Die Schaukel“ - ein tolles Bild: Lebenslust pur.
Als Museumsdirektor müssen Sie sich auch ums Geld kümmern.
Finckh: Leider lernen Geisteswissenschaftler im Studium nicht, wie man mit Geld umgeht. Das holt man dann im Laufe der Jahre schmerzlich nach. Das Thema Finanzen prägt die Arbeit schon. Jede Ausstellung birgt das Risiko, ob sie genug Besucher anlockt, um sich zu tragen. Das bereitet dann schon schlaflose Nächte. Aber das macht die Freude am Beruf nicht kaputt. Es ist ja auch in Wuppertal zwölf Jahre gut gelaufen.
Löst die Absage der großen Ausstellung über Frankreich im 18. Jahrhundert vom letzten Jahr noch Bitterkeit bei Ihnen aus?
Finckh: Es ist schade, dass wir sie nicht realisieren konnten. Sie ist ein Wunsch, der übrigbleibt. Aber vielleicht wird sie ja doch noch irgendwann durch irgendwen realisiert. Ihr Thema passt auf jeden Fall zu unserer Zeit, weil sie zeigt, wie demokratische Tendenzen unter absolutistischen Regierungsformen entstehen.
Wie stehen Sie zu Wuppertal heute?
Finckh: Nach so vielen Jahren ist die Stadt ein Stück Heimat geworden. Ich fühle mich ihr auf gewisse Weise verbunden. Ich schätze die Verlässlichkeit und Offenheit der Menschen. Die Stadt hat wunderschöne Ecken, ein tolles Kulturleben. Ich war gerne hier und ich habe das Gefühl dass die Leute mögen, was wir im Museum machen.
Was wünschen Sie dem Von der Heydt-Museum für seine Zukunft?
Finckh: Dass es unter einer tatkräftigen Leitung in eine glückliche Zukunft geht, weiter gedeiht und wächst, sich verändert, moderner, digitaler wird und dabei attraktiv bleibt. Und dass der Teamgeist, der enge Zusammenhalt bleibt.
Was haben Sie persönlich vor?
Finckh: Ich bleibe der Kunst natürlich verbunden. In den letzten Jahren habe ich viele Museen besucht, aber punktuell und unter dem Nützlichkeitsaspekt der Ausstellungen. Nun kann ich reisen, Kunst betrachten und genießen. Und vielleicht ergibt sich auch die eine oder andere Rede, Kuratorenaufgabe oder andere Dinge im Kulturbereich.