Sinfoniker und ihr Instrument (8): Lieber Flötentöne als Ärzte-Latein
Ulrike Siebler wollte eigentlich Medizin studieren. Ihr Sinneswandel hatte einen Grund: „Es gibt so unendlich viel schöne Musik“, sagt die Flötistin, die ihr Taktgefühl im städtischen Sinfonieorchester ausspielt.
Frau Siebler, Sie sind seit 1995 Flötistin im Wuppertaler Sinfonieorchester. Wer brachte Ihnen überhaupt die Flötentöne bei?
Ulrike Siebler: Mein erster Flötenlehrer war der ehemalige Soloflötist des Saarbrücker Staatstheaters, Kurt Cromm. Ich hatte ihn in einem Konzert gehört und der Zufall wollte es, dass er nur zwei Straßen entfernt wohnte, was als Schülerin zunächst sehr praktisch war. Nach einigen Jahren bin ich zu Ayla Caymaz, einer Flötistin des Saarländischen Rundfunks, gewechselt, bevor ich mein Studium an der Essener Folkwanghochschule bei Professor Matthias Rütters aufnahm.
Weshalb haben Sie sich für die Flöte und nicht etwa für Fagott oder Klarinette entschieden?
Siebler: Das kam durch das besagte Konzert, in dem ich meinen ersten Lehrer hörte. Eigentlich wollte ich immer Klavier spielen, doch dafür gab es verschiedene Hindernisse. Dann besuchte ich ein Konzert im Saarbrücker Staatstheater und der Klang der Querflöte gefiel mir so gut, dass ich meine Eltern ein Jahr lang förmlich bekniete, mich Flöte lernen zu lassen.
Flöte ist nicht gleich Flöte. Es gibt eine breite Auswahl an Instrumenten, von der Block- über Oberton- oder Einhand- bis zur Querflöte. Welche ist Ihnen die liebste?
Siebler: Das Spektrum der Querflöte ist von allen Flöten das größte. Man kann sie solistisch, in der Kammermusik, in der Oper und im sinfonischen Bereich einsetzen und sie ist dadurch sehr vielfältig nutzbar. Durch die Möglichkeit, eine ganze Flötenfamilie nutzen zu können, von der kleinen Piccolo- bis hin zur Alt-oder Bassflöte, ist der Tonhöhen- und Klangfarbenbereich sehr umfangreich. Ich persönlich ziehe die kleinen Querflöten den großen vor.
Was unterscheidet die Anfängerflöte von der professionellen Orchester- und Solistenflöte?
Siebler: Ähnlich, wie sich bei Streichinstrumenten eine einfache Geige von einer Stradivari unterscheidet, gibt es bei den Flöten ebenso keinen Unterschied in der Spielweise, aber im Material und in der Verarbeitung der Instrumente. Zum Beispiel können die Tonlöcher der Flöten aus dem Rohr gezogen werden, was eine Materialverdünnung an dieser Stelle bedeutet, oder sie können aufgelötet werden, wodurch die Materialdicke des Flötenrohres nicht verändert wird. Durch diesen kleinen Unterschied klingt eine Flöte schon anders. Außerdem klingt eine einfache Metallflöte nicht so edel wie eine Flöte aus einem hochwertigeren Material wie Silber, Gold oder Platin.
Sie haben aus Ihrer Berufung einen Beruf gemacht. Was muss man mitbringen, um es als Flötist in die A-Riege zu schaffen?
Siebler: Neben einem gewissen Talent benötigt man wie im Spitzensport Ausdauer, Geduld, Fleiß, Fleiß und nochmals Fleiß. Zu Beginn meines Studiums erklärte mir mein Professor, dass, wenn man es überhaupt ins Orchester schaffen möchte, man mindestens täglich vier bis sechs Stunden üben müsse. Im Nachhinein kann ich ihm nur recht geben und bin ihm für seine strenge Führung sehr dankbar.
Welchen Tipp geben Sie Nachwuchsmusikern, die Flöte lernen möchten?
Siebler: Musikstudenten haben es heute sehr schwer — noch schwerer als wir früher. Als ich 1990 meine Solostelle in Freiburg bekam, spielten 80 Flötisten um diese Stelle, mehr als doppelt so viele hatten sich beworben. Der Konkurrenzkampf ist in Anbetracht der finanziellen Streichungen in der Kultur nicht geringer geworden. Es werden sowohl weniger Stellen in den Orchestern als auch deutlich weniger feste Stellen im pädagogischen Bereich angeboten. Insofern gilt heute umso mehr, dass sich nur die Besten durchsetzen können — und die Studenten somit hart arbeiten müssen. Meinen Studenten vermittle ich, dass neben dem Üben auch Ausstrahlung und Auftritt auf der Bühne wichtig sind, doch letzten Endes überzeugt immer die musikalische Qualität.
Wie oft und wie lange üben Sie?
Siebler: Um in einem Spitzenorchester mitwirken zu können, ist ein regelmäßiges und intensives Training unerlässlich, zumal sich das Repertoire ständig ändert und somit immer wieder neue Stücke eingeübt werden müssen. Außerdem ist nach meinem künstlerischen Selbstverständnis die beständige Auseinandersetzung mit klanglichen, technischen und gestalterischen Parametern unverzichtbar.
Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Profi-Musiker geworden wären?
Siebler: Seit meinem 13. Lebensjahr wollte ich Medizin studieren. Aber in diesem Alter begann ich gerade erst mit dem Flötenspiel. Erst der erste Preis bei dem Wettbewerb „Jugend musiziert“ — fünf Jahre später — hat mir den Mut und die Überzeugung zum Musikstudium gegeben.
Welches Stück könnten Sie immer und immer wieder spielen?
Siebler: Natürlich könnte ich Ihre Frage mit Komponisten wie Schubert, Brahms oder Ravel beantworten, aber Musik ist viel zu mannigfaltig, um diese Frage mit einem einzigen Titel beantworten zu können. Es gibt so unendlich viel schöne Musik — und jede hat ihren eigenen Reiz!