Sven Kleine: "Caligula wird kein Sandalenstück"

Wuppertal. Die Wuppertaler Bühnen zeigen ein Frühwerk von Albert Camus: "Caligula" feiert am Freitag, 14. Januar, Premiere im Kleinen Schauspielhaus. Martin Kloepfer führt Regie, Sven Kleine betreut das Projekt als Dramaturg.

Camus stellt die historische Figur des spätrömischen Kaisers in den Mittelpunkt eines abgründigen Spiels, das die Grenzen menschlichen Willens, individueller Autonomie und gesellschaftlicher Verpflichtung auslotet.

Sven Kleine: So genannte Historiendramen haben es, wenn sie nicht von Schiller oder Shakespeare sind, nicht eben leicht auf zeitgenössischen Bühnen. Die Chance, im Spiegel der Vergangenheit etwas über unser Heute zu erzählen, wird eher selten ergriffen. Zu Unrecht, wie ich finde. Denn "Caligula" will ja keine Geschichte rekonstruieren, sondern sich mit elementaren Fragen unseres Lebens auseinandersetzen: Fragen nach Individualität im Spannungsfeld von Macht, Politik und Moral.

Kleine: Zunächst einmal ist es schlicht ein sehr gut geschriebener dramatischer Text, der komplexere philosophische Problematiken anschaulich und mit Humor für die Bühne gestaltet. Es geht um nicht weniger als die Frage, wo die Freiheit des Einzelnen angesichts der Gemeinschaft und Gesellschaft endet. Spannend ist die historische Parallele zu heute: Zu Caligulas Zeiten hatte das römische Volk bereits begonnen, sich aus der Politik zurückzuziehen.

Es betrieb seine Geschäfte und "wählte" ab und zu einen Kaiser. Caligula aber gerät zu einer Art Amokläufer auf dem Thron, der seine absolute Macht dazu benutzt, seine äußerste Freiheit zu behaupten und alle bisherigen Regeln außer Kraft zu setzen. Ihm gegenüber steht die Klasse der Patrizier als Vertreter einer älteren Generation - das bürgerliche Establishment, das sich mehr für seine Sicherheiten und Geschäfte interessiert. Das ist eine spannende Konstellation und Frontstellung.

Kleine: Auf jeden Fall kein "Sandalenstück". Camus hat den Text 1941 geschrieben - angesichts von cäsarischen Potentaten, Krieg und Diktatur. Aber der politische Aspekt ist nur eine Seite dieses Stückes, die andere ist der Konflikt zwischen unterschiedlichen Welt- und Lebensauffassungen. Dieser Konflikt wird bei uns - mit leichter Verfremdung - im Heute ausgetragen, ohne dass wir die historische Folie ganz tilgen wollen.