Tanztheater: Die neue Geschäftsführerin im Interview
Cornelia Albrecht wird im August Geschäftsführerin des Wuppertaler Tanztheaters.
Frau Albrecht, ab dem 1. August sind Sie Geschäftsführerin des Wuppertaler Tanztheaters. Wie war die erste Begegnung mit Pina Bausch?
Cornelia Albrecht: Die erste - künstlerische - Begegnung gab es 1983, als ich in München "Nelken" gesehen habe. Das Ensemble hat beim Theaterfestival gespielt - in einem Zirkuszelt. Ich war sofort hingerissen und seitdem immer eine treue Rezipientin. Als ich künstlerische Leiterin der Tanzbiennale wurde, habe ich beharrlich versucht, Pina Bausch nach München einzuladen. Das hat aber leider nie geklappt.
Weshalb nicht?
Albrecht: Weil das Tanztheater mit einem Vorlauf von zwei Jahren plant. Bis ich die verwaltungstechnischen Hürden genommen hatte, war es immer zu spät. Dass es jetzt umgekehrt ist und mich das Tanztheater nach Wuppertal holt, ist allerdings noch schöner.
Wurden Sie angefragt - oder haben Sie von sich aus Interesse signalisiert?
Albrecht: Pina Bausch hat mir das Angebot in einem persönlichen Gespräch unterbreitet. Ich habe spontan "ja" gesagt. Es ist eine Herzens-Affinität. Das Tanztheater ist außergewöhnlich - in jeder Hinsicht. Kein anderes Ensemble pflegt ein so großes Repertoire.
"Es ist wichtig, dass die Stadt mit ihren kulturellen Pfründen wuchert."
Mit welchen Zielen kommen Sie nach Wuppertal?
Albrecht: Ich möchte die Rahmenbedingungen setzen, damit das Publikum Spaß hat - und sich das Ensemble wohl fühlt. Wenn die Künstler in Ruhe arbeiten können, geben sie das auch zurück. Die Qualität und Attraktivität einer Stadt zeigt sich ja vor allem auch im Kulturellen.
Sie haben 30 Jahre lang in München gelebt. Wie nehmen Sie nun Ihre neue Heimat wahr?
Albrecht: Wuppertal ist eine schrumpfende Stadt. Dem muss man etwas entgegensetzen. Es ist wichtig, dass die Stadt mit ihren kulturellen Pfründen wuchert - und beispielsweise Opern- und Schauspielhaus erhalten bleiben.
Werden Sie nach Wuppertal ziehen?
Albrecht: Das bin ich schon! Ich bin sehr gerne in Barmen und richtig glücklich mit meiner neuen Wohnung. Ich möchte nicht über lange Wege Zeit verlieren und bin in die Nähe der Oper gezogen. Ich finde aber auch, dass das zusammengehört: Man hat nicht nur einen Job, man ist auch Bürger einer Stadt.
Dann waren die ersten Tage kein "Kulturschock"?
Albrecht: Der Kontrast zu München ist natürlich groß. München ist die Stadt der Musik und der Bildenden Künste. Dafür liegt Wuppertal sehr zentral: Essen, Köln, Düsseldorf - das sind alles Städte des Tanzes. Ich fühle mich also sehr wohl. Momentan erkunde ich kreisförmig die Stadt. Natürlich lerne ich Wuppertal auch über Pina Bausch kennen. Beim letzten Internationalen Tanzfestival traf man sich nach den Vorstellungen im Café Ada.
"Die Ideen sind immer größer als die Budgets."
Was bedeutet Tanz für Sie?
Albrecht: Tanz sagt etwas aus - ohne Worte. Es ist nicht nur die Sprache der Pantomime, es geht tiefer. Auf einer zweiten Ebene wird das Unaussprechliche begreifbar gemacht. Tanz bedeutet einen Reichtum von Gedanken - eine Auseinandersetzung mit der Welt auf sinnlicher Ebene.
Konkret gefragt: Was ist Ihr Lieblingsstück von Pina Bausch?
Albrecht: "Viktor"! Die Stimmung gefällt mir sehr. Da ist viel Melancholie und Ernsthaftigkeit drin. Und es ist sehr emotional. Man spielt immer den Geist gegen das Gefühl aus. Unsere Erziehung lehrt, dass es das Eine oder das Andere gibt. Im Tanz tut sich eine Verbindung auf. Es gibt eine emotionale Intelligenz - in "Viktor" ist sie deutlich zu spüren.
Haben Sie auch selbst getanzt?
Albrecht: Nein. Ich habe Theaterwissenschaft, Linguistik und Literaturwissenschaft studiert - mit dem Schwerpunkt Sprachanalyse. Während des Studiums habe ich angefangen, im Kulturmanagement und bei der Programmentwicklung zu arbeiten. Später habe ich die Kulturberatung für Industrieunternehmen übernommen. Durch all diese Erfahrung weiß ich: Die Ideen sind immer größer als die Budgets.
Seit Oktober 2006 sind Sie Geschäftsführerin des Internationalen Tanzfestivals NRW 2008, bei dem Pina Bausch die künstlerische Leitung hat. Bald sind Sie auch Geschäftsführerin des Tanztheaters. Wie vertragen sich beide Posten?
Albrecht: Ich habe lange darüber nachgedacht, ob das überhaupt geht. Es bedeutet einen Haufen Mehrarbeit - aber auch viele Vorteile. Verwaltungstechnisch gibt es eine Symbiose: Es gilt das Prinzip der kurzen Wege. Ich kann auf ein Team zurückgreifen, das unglaublich motiviert ist und sich mit dem Tanztheater identifiziert.
Dadurch können wir die Atmosphäre des Tanztheaters ins Festival einbringen. Ich halte das für sehr wichtig: Es soll ja nicht nur ein Konsum-Festival sein, sondern eine kommunikative Plattform werden.
Was bedeutet das Internationale Tanzfestival für Wuppertal?
Albrecht: Dass mehr Produktionen zu sehen sind als 2004. Allein in Wuppertal gibt es mehr als 20 kleine und große Gastspiele. Das Wuppertaler Tanztheater wird beim Festival acht Produktionen aufführen, sich also selbst sehr stark einbringen.
"Man sollte in der Sache gerecht sein - aber mit einem weichen Herzen."
Sind Sie eine knallharte Managerin?
Albrecht: Ich glaube, dass man mit aufrechter Diplomatie sehr weit kommt. Man sollte in der Sache gerecht sein - aber mit einem weichen Herzen. Auch bei meiner neuen Aufgabe geht es um das Möglich-Machen - und um klare Worte.
Gerade hat Ihr Telefon geklingelt - es ging um eine Absprache mit dem Sinfonieorchester.
Albrecht: Ja, es ist wichtig, dass die Künste eng miteinander arbeiten. Sie brauchen sich gegenseitig. Und wenn man die gleichen Ressourcen besitzt, kann man Geld sparen und kommt gemeinsam ans Ziel. Dann muss auch niemand Angst haben, dass ihm der andere etwas wegnimmt. Sonst hat man den Effekt, dass im eigenen Garten Kirschen hängen, man aber im Supermarkt lieber australische Exemplare kauft. Und dann wundert man sich am Ende, dass sie schal schmecken.
Wie sieht die Arbeitsteilung beim Tanztheater aus?
Albrecht: Das Programm trägt die künstlerische Handschrift von Pina Bausch. Das gilt abstrichlos. Ich bin für die Organisation zuständig - und möchte Kontinuität gewährleisten. Ich komme nicht, um alles neu zu machen. Ich möchte die Strukturen erhalten für das, was sich bewährt hat.
Dann bleibt das Tanztheater Wuppertal treu?
Albrecht: Ich kann natürlich nicht für Pina Bausch sprechen. Doch so lange man dem Tanztheater Ruhe und Raum gibt, damit wunderbare Produktionen entstehen, gibt es keinen Grund, das Weite zu suchen.
Das Gespräch führte Martina Thöne.