Uraufführung: Thomas Beimel gibt einen "zeitlichen Rat"
Interview: Im Passionskonzert der Kantorei Barmen-Gemarke wird auch ein Werk des Wuppertaler Komponisten vorgestellt.
Herr Beimel, Sie feiern beim Passionskonzert der Kantorei Barmen-Gemarke eine Uraufführung. Ihre Komposition "Zeitlicher Rat" für sechs Bläser, Schlagzeug und Streichquintett haben Sie 2006 geschrieben. Steht es in einem inneren Zusammenhang zu Mozarts Requiem, das am Sonntag ebenfalls in der Immanuelskirche aufgeführt wird?
ThomasBeimel: Ja, denn es ist eine Art wortloses, instrumentales Requiem. Es gab damals einen Anlass: den plötzlichen Tod eines Freundes, der mich sehr berührt hat. Ich habe auch den Tod der rumänischen Komponistin Myriam Marbe verarbeitet, mit der mich eine jahrelange Freundschaft verband.
Beimel: Ja, es ist das Gedicht "Zeitlicher Rat" von Ilse Aichinger. Sie zeigt darin auf, wie man dem Tod begegnen kann. Sie verwendet dafür ganz einfache Worte. So einfach und schmucklos ist auch meine Komposition. Dennoch ist es keine Trauermusik. Ich will zeigen, wie durch den Tod die Kommunikation plötzlich abgeschnitten ist. Und wie wir mit dieser plötzlichen und definitiven Abwesenheit umgehen, ist meiner Erfahrung nach noch viel komplizierter als die direkte Trauer.
Beimel: Ich hatte die "Ballade von den Königskindern" im Kopf. Die können ja nicht zusammenkommen, weil ein Graben sie trennt. Diesen metaphysischen Graben will ich wahrnehmbar machen. Daher sind die beiden Bläsergruppen auch räumlich getrennt. Ihre lauten Einzeltöne, die ohne Antwort bleiben, sind ein ziemlich schmerzhafter Beginn. Die Streicher aber klingen wie ein leises Echo auf, ein feines, Trost verheißendes Gespinst.
Beimel: Ich arbeite gerne mit verschiedenen Ebenen, wie wir sie aus der Rhetorik kennen. Die zwölf Musiker entwickeln zwar einen sinfonischen Gestus, in dem die Erhabenheit der Klangrede angedeutet wird, doch die Wirkung der Musik ist elementar. Sie ist schlicht wie die ganz frühe Musik. So fallen stilistisch die höchste und die niedrigste Ebene zusammen, das gibt dann so etwas wie einen ästhetischen Kurzschluss.
Beimel: Ich finde es großartig, dass Wolfgang Kläsener in seinen Konzerten historische Musik immer wieder in Bezug zu Neuer Musik setzt. Ich hoffe, dass man auch in Mozarts Requiem wieder anderes entdecken kann, etwa den Anteil an Redekunst durch allegorische Figurenbildung.
Beimel: Ich bin ein Kind aus dem "Pott", mein Vater war Metallarbeiter. Ich begreife mich ebenfalls als Arbeiter. Mit dem verklärenden Bild des Komponisten in der Romantik kann ich nichts anfangen. Ich mache als Komponist einen Vorschlag, das Werk ist das Objekt. Ich muss mich nicht darin wiederfinden. Aber es sollte eine Poetisierung des Lebens ermöglichen. Gute Musik muss ihrer Zeit und ihrem Raum enthoben sein.