Vom Kongo ins Bergische: Auftritt in einer fremden Welt
Wie sechs afrikanische Straßenkinder gemeinsam mit deutschen Musikern bei einem Konzert die Börse zum Beben brachten.
Wuppertal. Nathalie Mbiya strahlt. "Es war eine sehr aufregende Zeit - ich habe so viel Neues gesehen." Nach diesem Satz fehlen Nathalie zunächst die Worte. Sie hat eine neue Welt kennengelernt in den vergangenen sechs Wochen. Sechs Wochen, in denen die 15-jährige Trompeterin mit fünf anderen Kindern aus ihrer Heimat zunächst ein Musiktheaterstück in Bochum einstudiert hat, um dann ihren Aufenthalt in Deutschland mit einem Konzert in der Wuppertaler Börse abzuschließen. Es waren wahnsinnig eindrucksvolle sechs Wochen. Die erste große Reise überhaupt, die Nathalie je erlebt hat - ein riesiger Schritt für ein Straßenkind aus dem Kongo.
Ermöglicht hat den Deutschland-Aufenthalt das Kulturzentrum Espace Masolo in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, Straßenkindern in dem von Bürgerkrieg und Not gepeinigten Land Lesen, Schreiben und Rechnen sowie künstlerische Fähigkeiten beizubringen - das soll es den jungen Leuten ermöglichen, irgendwann einmal ihr eigenes Geld zu verdienen, sich eine Zukunft aufzubauen.
Dazu gehört auch die Musik in der Blaskapelle Fanfare Masolo - ein Projekt, das auch der Wuppertaler Musiker Winfried Walgenbach mit seinem Verein Freundeskreis Espace Masolo unterstützt. Über ihn ist auch das Konzert vom Sonntagnachmittag in der Börse zustande gekommen. Die sechs afrikanischen Jugendlichen stehen hier mit 15 Musikern aus Wuppertal und Solingen gemeinsam auf der Bühne.
Der Auftritt kommt hervorragend an - nach zwei Tagen gemeinsamen Probens schaffen es die Musiker der deutsch-kongolesischen Kapelle, die Musikstile ihrer unterschiedlichen Kulturen perfekt zu vereinen. Die Blech-Musik wird unterlegt mit viel Percussion, der Rhythmus geht in die Beine, die gut besuchte Börse bebt! "Jugendliche passen sich schnell an", so Walgenbach. Von Verständigungs-Problemen keine Spur.
Die bergischen Musiker hatten sich seit Mai auf den Auftritt vorbereitet. Da waren die gemeinsamen Proben keine Schwierigkeit mehr. Zwar sprachen die jungen Kongolesen weder Deutsch noch Englisch, aber mit Französisch sowie mit Händen und Füßen wurde die Sprachbarriere überwunden. Und Rhythmus und Noten verstand sowieso jeder der beteiligen Musiker.
"Es war schön zu sehen, wie gut die sechs aufgenommen wurden", freute sich Lambert Mousseka, einer der Betreuer vom Espace Masolo. Luci Bögeholz, die für das Haus der Jugend Barmen internationale Begegnungen organisiert, sprach von unglaublichen Freundschaften, die zwischen den jungen Leuten in so kurzer Zeit entstanden seien. Im kommenden Jahr, so ist jetzt schon geplant, sollen alle Musiker der Fanfare Masolo nach Deutschland kommen - dann gibt es auch ein Wiedersehen in Wuppertal.
Ob Nathalie auch dabeisein wird? Wenn sie dann noch im Ensemble spielen wird, ist das wahrscheinlich. Erstmal gilt es für die 15-Jährige, die vielen, überwältigenden Reise-Eindrücke zu verarbeiten. So erzählt sie mit dolmetschender Hilfe von Betreuer Mousseka, sie habe niemals gedacht, dass es in Europa überhaupt armene Menschen gebe - bis sie in Bochum einen Obdachlosen gesehen habe. Dennoch: "Es war sehr, sehr schön", sagt die junge Trompeterin. Aber jetzt freue sie sich erstmal auf zu Hause.