Vom Wiener Burgtheater ins Barmer Opernhaus

Als Schauspieler steht Tilo Nest in Wien auf der Bühne. Sein Regie-Debüt gibt der 51-Jährige am Freitag in Wuppertal.

Wuppertal. Tilo Nest ist da, wo andere erst noch hin möchten: Ensemblemitglied im Wiener Burgtheater zu sein, ist ein Ritterschlag für jeden Schauspieler. Eigentlich könnte sich der 51-Jährige also täglich selbst applaudieren.

Doch auch Burgtheater-Größen haben noch Träume. Regie zu führen, steht bei Nest ganz oben auf der Liste. Ein Wunsch, der am Freitag Wirklichkeit wird — allerdings nicht in Wien, sondern in Wuppertal. Kalendarisch gesehen ist er damit der Zeit voraus: Der Schauspieler, der zum ersten Mal im Regiestuhl sitzt, ruft jetzt schon Weihnachten aus und sorgt auch gleich für „Schöne Bescherungen“.

Wer Alan Ayckbourns gleichnamige Komödie kennt, ahnt es bereits: Das Fest der Liebe wird zum Albtraum — und Tilo Nest hält im Hintergrund genüsslich die Fäden in der Hand. „Endlich kann ich einmal sagen, wo es langgeht“, erklärt er und lacht. Im Ernst: Zu den Regisseuren, die den Darstellern vorspielen, wie sie es gerne hätten, möchte der gebürtige Hesse nicht gehören. „Das habe ich mir fest vorgenommen.“ Weshalb? Da muss der theatralische Impulsgeber nicht lange überlegen: „Ich hatte in meiner Laufbahn immer wieder mit Regie führenden Schauspielern zu tun — das war oft nicht Fisch, nicht Fleisch. Viele konnten sich nicht entscheiden, auf welcher Seite sie eigentlich stehen.“

Dabei ist der Neu-Regisseur selbstkritisch genug, um auch an sich selbst eine Metamorphose wahrzunehmen: „Manchmal laufe auch ich bei den Proben auf die Bühne. Man neigt als Schauspieler eben doch dazu . . .“ Die meiste Zeit verbringt er inzwischen jedoch nicht im Rampenlicht, sondern „in Zügen und Flugzeugen“. Kein Wunder: Er lebt in Berlin, macht in Wien Theater, führt nun auch noch in Barmen Regie.

Die Rolle als gefragter Pendler gefällt ihm: „Ich spüre, dass ich Blut geleckt habe. Es wird sicherlich nicht meine letzte Regie-Arbeit gewesen sein.“ Schon deshalb, weil „ich es nicht als Belastung, sondern als Befreiung erlebte. Ich bin privat ein eher stiller Mensch. Als Schauspieler saß ich oft in Proben und habe mich beim Warten auf ,meine’ Szene gelangweilt. Jetzt, als Regisseur, plaudere und plappere ich viel. Dann schaue ich auf die Uhr und denke erstaunt: Die Probe ist ja schon wieder fast vorbei!“

Dabei wurde ihm das Theater-Gen nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Der Vater war Beamter bei der Post, der Opa Holzfäller. „Immerhin: Meine Mutter träumte davon, Opernsängerin zu werden. Von ihr habe ich die musische Ader.“ Und die nächste Generation? Die Tochter (18) überlegt, in die Fußstapfen des Schauspielers und Sängers zu treten. Das Vorbild dürfte Mut machen: Wie Träume wahr werden können, lebt ihr der Vater vor. Auch wenn er den Beginn seiner Karriere im Rückblick mit einer Mischung aus ernstem Tonfall und heiterem Augenzwinkern sieht: „Ich war der Klassenclown und immer kleiner als die anderen. Da gab’s nur eine Überlebensstrategie: Mätzchen machen.“