Wie geht es weiter beim Tanztheater? Ensemble setzt auf Team-Arbeit

Spekulationen und Realitäten: Geschäftsführerin Cornelia Albrecht spricht erstmals über die Zukunft der Kompanie von Pina Bausch. Sicher ist: Es geht weiter.

Wuppertal. Wird Star-Tänzer Dominique Mercy kommissarischer künstlerischer Leiter? Spielt langfristig ein junger Choreograph wie Marco Goecke eine zentrale Rolle als Strippenzieher im Wuppertaler Tanztheater? Oder vergrößert gar Bühnenbildner Peter Pabst seinen Wirkungskreis? Die Fachwelt rätselt. Kein Tag vergeht ohne neue Spekulationen. Eindeutig ist allein das Signal aus dem Tanztheater: Frühestens zum Beginn der neuen Spielzeit gibt es offizielle Stellungnahmen zur künftigen Struktur des Tanztheaters zu erwarten.

Doch wie immer, wenn einzelne Namen weder dementiert noch bestätigt werden, mehren sich die Vermutungen von Insidern, die wissen wollen, wie es nach dem Tod von Pina Bausch weitergeht. "Testballons" nennt das Geschäftsführerin Cornelia Albrecht gegenüber der WZ. Doch während andere Ballons steigen lassen, bleibt sie bodenständig und lässt sich nicht aus der Reserve locken: Das Theater selbst will sich an der Diskussion über eine neue künstlerische Leitung nicht beteiligen. "Das ist für uns kein Thema", sagt Albrecht und meint dies natürlich nur nach außen hin. "Wir brauchen Zeit und müssen jetzt erst einmal Atem holen", betont die Geschäftsführerin, die erst am Sonntag zusammen mit dem Ensemble aus Moskau zurückgekehrt ist. "Wir waren fast einen Monat permanent unterwegs und müssen erst wieder zur Besinnung kommen." Die jüngste Tour durch Osteuropa war eine ungeahnte Bewährungsprobe: Die Nachricht vom Tod der Theaterleiterin erschütterte das Ensemble kurz vor einem Auftritt in Polen. "Die Reaktionen der Tänzer waren toll", sagt Albrecht, immer noch sichtlich ergriffen. "Am Tag des Todes haben sie gemeinsam entschieden: Wir treten heute Abend auf. Wir tanzen weiter - für Pina."

Auch die restlichen Gastspiele hätten das Ensemble nur noch fester zusammengeschweißt: "Alle haben ihr Bestes gegeben. Das waren Erlebnisse, die ich niemals vergessen werde." Vielleicht auch deshalb, weil es aus der Sicht der Geschäftsführerin mehr war als eine bloße Geste. Es war vor allem ein Beweis dafür, dass das Wuppertaler Tanztheater eine Zukunft hat - auch ohne Pina Bausch. "Die Kompanie hat bewiesen, dass sie Außerordentliches bewältigen und die Ideen von Pina Bausch authentisch vertreten kann." Genau darum gehe es jetzt auch vorrangig: um die Gewährleistung von Qualität im Namen der verstorbenen Ausnahmekünsterin. Um Authentizität zu ermöglichen, setzt das Tanztheater deshalb zunächst auf Team-Arbeit. 50 feste Mitarbeiter gehören zum weltweit gefeierten Ensemble, das die Spielzeit im September mit einem schon jetzt ausverkauften Doppel-Programm ("Café Müller", "Das Frühlingsopfer") im Opernhaus eröffnet.

Wenig später sind die Spitzentänzer auf Gastspielreise in Brasilien, im Oktober gastieren die Wuppertaler mit beiden "Kontakthof"-Versionen bei einem Festival in der Normandie. Wer dabei die Fäden in der Hand hält, umschreibt Albrecht so: "Es wird jeweils Teamwork sein. Die Tänzer, Probenleiter und Assistenten, die an den einzelnen Stücken beteiligt sind und am nächsten dran waren, werden die Werke weiter betreuen - im Sinne von Pina Bausch."

Am runden Tisch geht es derweil um die Rahmenbedingungen für eine längerfristige Zukunft. Denn gefragt war das Ensemble schon immer: "Pina hat sehr weit im Voraus geplant. Es gibt Gastspiel-Verpflichtungen und Angebote bis 2012/13", sagt Albrecht. "Wir werden uns jetzt zusammensetzen, die Lage sondieren, Perspektiven suchen und sehen, wohin die Reise geht."

So viel ist aber jetzt schon klar: "Es geht weiter - so lange wir die Qualität garantieren können." Dass dies machbar sei, habe die Osteuropa-Tournee bewiesen. Die nächste Aufgabe ist aber erst einmal eine traurige Premiere: Die Tänzer gestalten das Programm der Trauerfeier am 4. September im Opernhaus.