Lead-Klettern: Die Ruhe vor dem „Gipfelsturm“

Jonas Winter wird bei seinem Heimspiel Deutscher A-Jugend-Meister.

Wuppertal. Für eine kleine Ewigkeit scheint Jonas Winter, festgekeilt mit beiden Beinen und abwechselnd einem Arm, kurz unter der ersten Kante zu verharren. Immer wieder schüttelt er Arme und Finger aus und greift in den Beutel mit Magnesia, das die Finger rutschfest machen soll. Gerade erinnert der Moderator an das Zeitlimit von acht Minuten, da legt der 17-jährige Lokalmatador der Alpenvereinssektion Barmen los.

Ohne Halt überwindet er Zug um Zug die folgende Schlüsselstelle, an der neben seinem Sektionskollegen Simon Ritter auch die bisherigen A-Jugendlichen gescheitert sind. Jubel unter den rund 300 Zuschauern im Kletterzentrum Wupperwände. Ganz klar: Jonas hat hier ein Heimspiel. Und er nutzt das, klettert bis ins Dach, wie die Spezialisten den Überhang 16 Meter über dem Boden nennen.

Kein A-Jugendlicher nach ihm klettert weiter, und so holt der Schüler des Gymnasiums Kothen auch bei der zweiten Auflage der Deutschen Meisterschaften im Lead (Vorstiegs)-Klettern in den Wupperwänden einen Titel nach Wuppertal.

2006 hatte Juliane Wurm von der Sektion Wuppertal gewonnen, die seit langem „Superstar“ der Wupperwände ist, sich aber in diesem Jahr ganz auf den Boulder-Weltcup konzentriert hat und die Lead-DM nicht kletterte.

Als Routentesterin und auch bei der Sicherung war sie beim Heimspiel natürlich trotzdem dabei und durfte sich über den vierten Platz ihres Bruders Alexander bei den B-Jugendlichen freuen.

Nicht nur organisatorisch, auch sportlich konnte sich das Ergebnis der beiden Wuppertaler Trägervereine des Kletterzentrums mehr als sehen lassen. Das komplettierten Simon Ritter (16) mit dem fünften Platz bei den A-Jugendlichen und Markus Jung, der zwar (noch) für die Sektion Siegen klettert, aber eine Ausbildung in den Wupperwänden macht, mit Platz drei bei den Herren.

So stimmungsvoll die Jugendwettkämpfe am Sonntag waren, das Finale bei Damen und Herren am Samstagabend war fraglos der Höhepunkt der sportlich anspruchsvollen Tage in Wuppertal. Gut 400 Zuschauer konnten hautnah verfolgen, wie schwer es die Routenschrauber den Athleten aus ganz Deutschland gemacht hatten. „Das Niveau ist wahnsinnig hoch“, staunte Andreas Schlenkhoff, Vorsitzender der Sektion Barmen. Lokalmatador Markus Jung (24), der die Qualifikation gerade so geschafft hatte, zeigte im Finale, was er kann und scheiterte fünf Griffe unter Top, wie das Ziel unter dem Dach nach 50 Griffen und Tritten genannt wird. Ein Stück weiter schaffte es nur Jungstar Sebastian Halenke, der mit seinen 16 Jahren bereits bei den Erwachsenen mitkletterte. Nur Favorit Thomas Tauporn, der bereits Top-Ten-Platzierungen im Weltcup geholt hatte, konnte ihn als letzter Kletterer noch abfangen. Ein Aufschrei der Zuschauer, als Tauporn vom Lichtkegel effektvoll begleitet drei Griffe unter der Position, die Halenke erreicht hatte, abglitt und ins Seil stürzte.

„Sebastian ist schon eine Klasse für sich, kein Wunder, dass er schon bei den Erwachsenen mitklettert“, meinte auch Jonas Winter beeindruckt. So war immerhin für ihn der Weg zum A-Jugend-Titel frei. „Ich suche mir gerne vor schwierigen Stellen einen Ruhepunkt“, erklärte er noch einmal sein eigenes langes Verharren vor der Schlüsselstelle, das sich letztlich ausgezahlt hatte.