Bergische Universität Wuppertal „Mahnmale funktionieren nur, wenn sie eine Debatte auslösen“
In seinem Buch „Der Nationalsozialismus in der Erinnerungskultur NRWs“ stellt der Wuppertaler Jan Niko Kirschbaum 13 Mahnmale vor.
Wer in Wuppertal spazieren geht, dem könnten die Mahnmale aufgefallen sein, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnern. „Erinnerungszeichen verraten meist mehr über die Zeit, in der sie errichtet wurden, als über die historische Zeit, die sie thematisieren“, heißt es in der Beschreibung des Buchs „Mahnmale als Zeitzeichen - Der Nationalsozialismus in der Erinnerungskultur Nordrhein-Westfalens“, das Jan Niko Kirschbaum jetzt veröffentlicht hat. Beruhend auf seiner Dissertation, die er 2019 an der Universität Düsseldorf eingereicht hat, stellt der Wuppertaler 13 verschiedene Mahnmale vor.
Lokale Bedeutung und
geographische Verteilung
„Mein Ziel war es, eine vergleichende Studie zu machen über die Erinnerungszeichen Nordrhein-Westfalens“, erklärt Kirschbaum. Zentrale Fragen seien gewesen, wie mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg umgegangen wird, wie die Mentalität in den einzelnen Städten aussieht und wie sich die Erinnerungskultur über die Jahre hinweg verändert hat. Die lokale Bedeutung und die geographische Verteilung im Münsterland, dem Ruhrgebiet, Westfalen und dem Bergischen Land haben bei der Auswahl der Mahnmale eine wesentliche Rolle gespielt. Für seine Recherchen habe Kirschbaum Interviews geführt und in Archiven gesucht.
„Jede Stadt ist sehr individuell. Die Initiative für ein Mahnmal entsteht aus der Stadtgesellschaft selbst“, berichtet er. Er selbst habe nicht damit gerechnet, dass die Erinnerungskultur von Stadt zu Stadt so verschieden sein kann.
Für seine Untersuchungen hat Kirschbaum die Mahnmale in zwei Zeitblöcke eingeteilt. Eines der in Wuppertal untersuchten Erinnerungszeichen des ersten Blocks steht im Deweerthschen Garten. Das 1958 eingeweihte Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus beschreibt Kirschbaum als den Versuch, „ein Stück Identität zu schaffen und einen Weg zu finden, mit den Verbrechen des Nationalsozialismus umzugehen“. Die Zeit von 1965 bis 1975 sei ein Tief in der Erinnerungskultur gewesen. Die Menschen hätten lieber in die Zukunft geblickt. Erst in den 80er Jahre hätten sie wieder angefangen, nach einer neuen Identität zu suchen. „In den 80er Jahren gibt es spannende neue Akteure wie die Jugendbewegung“, berichtet Kirschbaum.
Von der ersten Idee
bis zur Errichtung
Das 1983 an der Beyenburger Straße errichtete Mahnmal für das Konzentrationslager Kemna spiegelt die neue Denkweise wider. Angeregt durch den Jugendring Wuppertal, seien es so nicht mehr nur Verbände und Parteien gewesen, die sich für die Errichtung von Mahnmalen stark gemacht haben. Das Mahnmal wurde im Rahmen eines Wettbewerbs von einem Kunstkurs des Gymnasiums Kothen entworfen.
Kirschbaum nennt Zukunftsängste, wie Arbeitslosigkeit, Kriegsgefahr oder schlechte Ausbildungsaussichten als Motiv dafür, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen und Erinnerungszeichen zu errichten.
In seinem Buch werden die Mahnmale von der ersten Idee bis zur Errichtung beschrieben. Jan Niko Kirschbaum gibt aber auch einen Einblick in die Gedenkpraxis. Dafür habe er untersucht, welche Reden gehalten wurden, was Zeitungen über Gedenkveranstaltungen berichtet haben und wie die Resonanz der Bevölkerung war. „Ist das Gedenken einvernehmlich? Gibt es einen Konsens oder gibt es Streit?“, fragt er.
Sein Interesse an Mahnmalen sei im Studium entstanden. „Das Besondere an Mahnmalen ist, dass sie mit sehr großen Hoffnungen errichtet werden und diesen Hoffnungen im Alltag nicht gerecht werden können“, erklärt Kirschbaum. Erinnerungszeichen würden nur funktionieren, wenn sie eine Debatte bei ihrer Errichtung auslösen.