Gesellschaft Mehr Kinder im Tal sind in Gefahr

Das Wuppertaler Jugendamt muss immer öfter Hinweisen auf eine mögliche Gefährdung nachgehen.

Die häufigsten Gründe, Kinder in Schutz zu nehmen, sind Hinweise auf Misshandlung oder Vernachlässigung.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Die Zahl der Meldungen wegen einer möglichen Gefährdung von Kindern und Jugendlichen in ihren Familien ist in Wuppertal in den vergangenen fünf Jahren um mehr als das Dreifache gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Düsseldorf legte die Zahl der beim Wuppertaler Jugendamt gemeldeten Fälle von rund 450 auf etwa 1040 zu. Zwischen 2016 und 2017 stieg die Zahl der Meldungen wegen einer möglichen Kindeswohlgefährdung um fast ein Viertel (24 Prozent). Das berichtete die Stadtverwaltung in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses.

„Die Meldungen sind sehr hoch gegangen“, räumte die Leiterin des städtischen Jugendamtes, Christine Roddewig-Oudnia, gegenüber der WZ ein. Das sei ein Zeichen dafür, dass die Sensibilität in der Bevölkerung deutlich gewachsen sei. Allerdings sei der Anstieg bei den Meldungen noch kein Indiz dafür, dass die Zahl der Vergehen oder problematischen Lebensumstände in den Familien signifikant nach oben gegangen sei. So sei die Zahl der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen seit dem Jahr 2013 „relativ konstant geblieben“, hieß es in dem Bericht des Jugendamtes, der in dem Ausschuss vorgetragen wurde. Im vergangenen Jahr waren es fast 400 Kinder und Jugendliche aus Wuppertal, die zumindest vorübergehend aus der Familie geholt und an einem anderen Ort untergebracht werden mussten. Hinzu kamen rund 160 unbegleitete Ausländer – in der Regel Flüchtlinge –, die grundsätzlich untergebracht werden mussten.

Meistens wurden Anzeichen der Vernachlässigung festgestellt

Die häufigsten Gründe, gefährdete Kinder und Jugendliche vorläufig in Schutz zu nehmen, sind Hinweise auf eine körperliche Misshandlung, Anzeichen einer Vernachlässigung oder Hinweise auf eine psychische Misshandlung. Auch Anzeichen sexueller Gewalt können ein Grund für eine Inobhutnahme sein – diese Fälle sind aber eher die Ausnahme: So gab es im vergangenen Jahr in Wuppertal in 20 Fällen Hinweise auf sexuelle Gewalt bei Kindern und Jugendlichen. In der Mehrzahl der Fälle (250) wurden Anzeichen der Vernachlässigung festgestellt.

Ende vergangenen Jahres lebten in Wuppertal knapp 60 400 Kinder und Jugendliche – das war gemessen an der gesamten Einwohnerzahl ein Anteil von fast 17 Prozent. Interessant für die Statistiker und Fachleute ist auch, wer die Vorfälle meldet. Laut dem Statistischen Landesamt nahmen seit dem Jahr 2013 vor allem die Meldungen durch Schulen und Kitas sowie Polizei und Justiz um etwa dreihundert Prozent zu. Vergleichsweise moderat – etwa 30 Prozent – ist dagegen der Anstieg bei den Meldungen durch Verwandte oder Bekannte der betroffenen Kinder und Jugendlichen.

Wird dem Wuppertaler Jugendamt eine mögliche Kindeswohlgefährdung gemeldet, überprüfen in der Regel zwei Mitarbeiter des zuständigen Bezirkssozialdienstes die familiären Umstände und Lebensbedingungen der Minderjährigen, erklärte Roddewig-Oudnia. Im vergangenen Jahr wurde in etwa einem Viertel der überprüften Fälle eine akute Kindeswohlgefährdung festgestellt, in einem weiteren Viertel eine „latente Kindeswohlgefährdung“ – also Fälle, wo zwar keine konkrete Gefährdung vorliegt, es aber einen Verdacht seitens der städtischen Mitarbeiter gibt.

In einem weiteren Viertel der überprüften Fälle stellten die Mitarbeiter des Bezirkssozialdienstes zwar keine Gefährdung für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen fest, konstatierten aber einen Hilfsbedarf für die Familie. Im letzten Viertel der überprüften Fälle schließlich konnte keine Gefährdung der Minderjährigen und auch kein Hilfsbedarf für die Familien festgestellt werden.

Nach Erkenntnissen des Jugendamtes sind immer häufiger junge Mädchen ab dem zwölften Lebensjahr von Problemen in den Familien betroffen. Auch bei den Inobhutnahmen müssten immer öfter Mädchen in immer jüngerem Alter die Schutzmaßnahmen in Anspruch nehmen, hieß es. Zudem gibt es offenbar auch eine Stammkundschaft: So ist die überwiegende Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen den Mitarbeitern des Bezirkssozialdienstes bereits aus den Vorjahren bekannt. Überdies gibt es einen Schwerpunkt bei den Einsätzen der Bezirkssozialdienste in den östlichen Stadtteilen.