Die Partei Mira Lehner will mit Satire für mehr Transparenz sorgen

Mira Lehner ist Spitzenkandidatin von „Die Partei“ in Wuppertal. Die 40-Jährige schätzt den Humor als hilfreiches Mittel in der Politik.

Mira Lehner von „Die Partei“.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Sie hat dunkelbraune Augen, ein strahlendes Lächeln und ein Erkennungszeichen: ihre leuchtend rote Mütze. Hinzu kommen die Krawatte in der gleichen Farbe und ein hellblaues Hemd. Ihre Partei-Uniform, sagt Mira Lehner. Uniform? Na klar, Politiker tragen doch Anzug, Krawatte und Hemd, sagt die 40-Jährige in einer Mischung aus Ernst und Schalk. Wer die Oberbürgermeister-Kandidatin der Satire-Partei „Die Partei“ bei der Kommunalwahl nun als politisches Leichtgewicht abtut, irrt gewaltig.

Wir treffen uns vor dem „Langen Handock“, Stammkneipe des Wuppertaler „Die Partei“-Kreisverbands im Ölberg-Viertel. Die Fachpflegerin kommt von ihrer Frühschicht. Wirkt gleichwohl fit und ausgeruht. Zentrales Thema derzeit: Der Wahlkampf, der vor allem im Netz stattfindet, aber nicht minder anstrengend ist. Schließlich müssen in 33 Bezirken jeweils 12 Unterschriften gesammelt werden. Die sie in ihrem Wahlkreis in Arrenberg bereits sicher hat. Der Ratssitz ist denn auch das wichtigste ausgegebene Ziel der Kommunalwahl, „Die Partei“ will mitreden, von innen Politik machen und so besser überzeugen. Ernsthaft und mit Humor.

Mira Lehner ist gebürtige Remscheiderin. Und sie ist eine ungewöhnliche Frau. Schon als Kind malte sie, hat ein Diplom als Bildende Künstlerin in der Tasche, das sie 2007 in Schwerte erwarb. Nachdem sie mit 21 Jahren Mutter geworden war. Weil sie als Alleinerziehende mit brotloser Kunst nicht bestehen kann, schloss sie eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankheitspflegerin und später als Beatmungsfachkraft an. 2014 zog Lehner nach Wuppertal, arbeitet in der ambulanten Kinderintensivpflege Jakim. Ein Job, der starke Nerven fordere, und ein sehr schöner. „Zu sehen, dass die Kids in ihrer Familie groß werden, vielleicht sogar an Schulausflügen teilnehmen können“, lohne jede Mühe.

 Noch heute malt sie, verkauft hin und wieder eines ihrer Bilder. Zur Passion kam vor vielen Jahren ein nachhaltiges Hobby. Weil der damals schüchterne Sohn einen Kampfsport erlernen sollte, trat die Mutter in den Verein ein und blieb. Der Sport benötigt und vermittelt Ruhe, Disziplin und Selbstvertrauen. Eigenschaften, die ihr Selbstbewusstsein förderten. Das sie neben Eigenständigkeit einerseits zu ihren Stärken zählt, andererseits aber ungeduldig werden lasse, weshalb sie andere auch mal schnell überfahre. Sogenannte Brennpunkte wie Berliner Platz oder Gathe schüchtern die 1,63 Meter kleine Powerfrau natürlich nicht ein. Außerdem sei der Ruf Wuppertals in dem Punkt schlechter als die Wirklichkeit.

Und die Politik? Begleitet Lehner schon immer. Sie lese gerne Zeitung, mochte den Politik-Unterricht an der Schule, bilde und vertrete gerne ihre Meinung, nahm an Demos, etwa gegen die Golfkriege, teil. In „Die Partei“ trat sie 2016 ein, zusammen mit ihrem Sohn, weil man auch mal ein Ventil brauche und die Satire gut gegen Frustration und Hilflosigkeit helfe. Außerdem ließe sich mit satirischen Mitteln mehr bewirken: „Wenn die Leute über etwas lachen, erreicht sie das mehr als ein Pappschild bei der hundertsten Demo.“ Die „Titanic“ habe sie gelesen, seit sie 15 war, was aber nicht mit einer Verehrung für den „Die Partei“-Gründer Martin Sonneborn verwechselt werden sollte. „Ich finde gut, was er im EU-Parlament macht“, aber für Wuppertal sei er nicht so wichtig.

Der Kreisverband hat etwa 250 Mitglieder und will in den Stadtrat. Und weil er dafür einen Oberbürgermeisterkandidaten brauchte und sich kein anderer fand, nahm sie die Herausforderung an, gegen die „alten weißen Männer“ anzutreten. Der Begriff kann zwar mit Blick auf die Konkurrenten teilweise wörtlich genommen werden, Lehner aber meint eine Geisteshaltung, die sie bekämpfen will: „Menschen, die ihre Privilegien schützen ohne Rücksicht auf andere. Und davon haben wir in Wuppertal reichlich.“ Im Rat als Teil des Ganzen wolle sie mit Satire aufklärerische Arbeit leisten und damit Transparenz erreichen. Diese positive Protestform könne vor allem jüngere Menschen an die Wahl-Urne locken, die sich gerne mit Politik beschäftigen und oft aus dem studentischen Leben stammen.

Lehners Ansage, das dreckige Wuppertal erhalten zu wollen, bedarf der Erläuterung. Die Bedeutung des Wortes Dreck hänge doch sehr von der persönlichen Wertung ab, sagt Lehner. „Er trifft auf den Mülleimer genauso zu wie auf das missglückte Graffiti oder die Bierflasche auf dem Bürgersteg.“ Für die Kandidatin steht das Wort für die Geisteshaltung derjenigen, die Viertel wie den Ölberg oder den Arrenberg gentrifizieren wollen. Dabei mache doch die Vielfalt Wuppertal überhaupt erst liebenswert, „wir brauchen eine gewisse Dreckmenge“, fordert sie.

 Die Reaktionen auf ihre Kandidatur für den Posten der Oberbürgermeisterin in ihrem Umkreis schwankten zwischen Belustigung und Zustimmung. Ihre Chancen auf den Chefsessel im Rathaus schätzt Lehner selbst gering ein, weshalb ihr die Frage nach der ersten Tat als Oberbürgermeisterin nicht recht gefällt. Sie überlegt und sagt dann: „Ein eintrittsfreier Tag in Wuppertaler Kultureinrichtungen für Wuppertaler.“