Mit dem Glauben gegen Klimawandel

Hermann E. Ott und Kathrin Schroeder sprachen in der Citykirche über den Einfluss der Kirchen.

Foto: Stefan Fries

Hermann E. Ott und Kathrin Schroeder haben sich in Zeiten des Aufbruchs kennengelernt. Kurz vor der Pariser Klimakonferenz — und gar nicht lang nachdem Papst Franziskus mit der Enzyklika „Laudato si“ den Klimawandel in das religiöse Bewusstsein gebracht hatte. Auf dem Pilgerweg nach Paris, zu eben jener Klimakonferenz, sind Ott, ehemaliger Leiter des Berliner Büros des Wuppertal Instituts sowie ehemaliger klimapolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, und Schroeder, Energieexpertin beim Bischöflichen Hilfswerk Misereor, sich begegnet. In Wuppertal.

Hier haben sie sich am Montagabend in der Citykirche wiedergetroffen. Gemeinsam haben sie vor rund 80 Zuhörern mit dem Schauspieler und Sprecher Olaf Reitz über den Einfluss der Kirchen auf einen nachhaltigen Wandel gesprochen. Die Frage aufgeworfen: Hat der Einwurf des Papstes etwas gebracht? Titel des Abends war „Macht euch die Erde Untertan“.

Hermann E. Ott, zitiert einen Freund, zum Potenzial der Kirche, sich gegen das System zu stellen

Dieser Satz aus dem Alten Testament allein zeigt den Wandel, dem auch die Religion angesichts des Klimawandels und der damit verbundenen menschlichen und sozialen Katastrophen unterliegt. Was früher als Aufruf zur Ausbeutung verstanden worden sei, erklärte Schroeder, sei spätestens mit dem Text Franziskus’ anders zu lesen: als Aufforderung, die Erde zu pflegen und für künftige Generationen zu verwalten.

Das Problem, der Gegenentwurf dazu, sei der Konsumismus auf persönlicher Ebene, das Streben nach Mehr, und der Kapitalismus, das Streben nach Wachstum, als System. „Irgendwo sind darin die Werte verloren gegangen“, sagte Schroeder. Denn das Paradigma „Weniger mehr“, sei allein hier in Deutschland kaum vorstellbar. Sie sieht viel Potenzial für Verbesserungen — in den politischen Rahmenbedingungen, in den Lebensgewohnheiten der Menschen, aber auch in der kirchlichen Praxis. Auch dort habe das Buch des Papstes, trotz allen Rummels, nicht viel verändert, gab sie zu.

Dabei, gab Ott zu bedenken, gebe es gerade bei den Religionen und deren Anhängern das größte Potenzial für einen Wandel zu Nachhaltigkeit. „Alle Religionen betonnen die immateriellen Werte“, setzte Ott zur Begründung an. Eine materielle Weltsicht könne die Klimaprobleme nicht lösen. „Die Kirchen sind da eine unschätzbare und unverzichtbare Hilfe“. Auch weil sie eben Werte wie Bescheidenheit und Solidarität predigten. Zudem besäßen Religionen eine „intrinsische Autorität“. Sie seien also nicht abhängig von wirtschaftlichem Erfolg. Ott zitierte einen alten Freund, der Anarchist sei: „Es gibt nur zwei nicht marktgetriebene Institutionen: die Kirche und die Justiz“, habe der gesagt. Damit habe die Kirche eben die Macht und die Möglichkeit, sich gegen den Mainstream, gegen das kapitalistische System zu stellen - und einen Wandel weg vom „Mehr“ zu bewirken.

Bei allen Möglichkeiten, allen Potenzialen: „Wenn 80 Prozent der Weltbevölkerung sich zu einer Religion bekennen und trotzdem die Abkehr vom zerstörerischen Kurs so schwer ist — was läuft da schief?“

Ott erwartet mehr Einsatz von der Kirche, den Oberhäuptern und Würdenträgern. Sie müssten sich bei jedem Treffen mit Politikern, Unternehmern und Medienvertretern für Nachhaltigkeit, gegen Klimawandel, für die Ärmsten einsetzen, die darunter am meisten leiden. „Sie haben gefälligst ihren Beitrag zu leisten“.