Mit Tränen in den Augen
Am 16. April 1945 wurden die Zwangsarbeiter befreit. Heute denken sie auch voller Dankbarkeit an damalige Helfer.
Wuppertal. Als Wiel Tulmans, Jan Reintjes und Louis Keursten im Oktober 1944 von der deutschen Wehrmacht aus ihren Häusern entführt und von der deutschen Wehrmacht verschleppt wurden, wussten sie nicht, dass der Krieg in einem knappen halben Jahr beendet sein sollte. "Wir dachten, wir würden unsere Heimat nie wiedersehen", sagt Wiel Tulmans. Doch die drei hatten Glück: Am 16. April 1945 wurden sie befreit.
"Wir waren in Venlo in Viehwaggons gepfercht worden", erzählt Tulmans. Es ging dann zum "Giebel" in Sonnborn, damals die Anlaufstelle für alle Zwangsarbeiter, die aus dem Westen kamen.
Ein Ort, der bei den Zwangsarbeitern gleichzusetzen ist mit Angst und Schrecken. Auch bei Wiel Tulmans ist es nicht anders gewesen. Als er endlich im Langerfelder Lager der Reichsbahn ankam, hatte er vier Tage nicht gegessen, nicht geschlafen und auch nichts getrunken.
Die drei Teenager waren in der Grundschule Singstraße untergebracht, arbeiteten von morgens sechs bis zum späten Abend. Es war Winter, die Deutschen schon lange nicht mehr auf dem Vormarsch. Die Bevölkerung litt Hunger, und für Gefangene gab es als letztes etwas zu Essen.
"Vier Wochen lang haben wir tagsüber nicht einen Bissen bekommen", so Louis Keursten. Abends gab es Weißkohlsuppe. Da wurde alles mitgekocht, die Wurzel und auch die Erde. "Zähneputzen mussten wir da nicht mehr", sagt Tulmans. Er muss lachen.
Doch schnell wechselt die Stimmung, sobald die Erinnerung sich verändert. Die Gefühle, die beim Anblick der Schule in Tulmans hochkamen, konnte er kaum in Worte fassen. Er holte tief Luft und riss sich zusammen: "Ich habe nur den Lagervorsteher vor dem Tor stehen sehen."
So wie damals, als Tulmans mit einem Krankenschein aus Elberfeld zurück kam und der Vorsteher fragte, wo er denn Schmerzen hätte und noch einmal darauf schlug. Einen Krankenschein hat sich der 14-Jährige nicht noch einmal geholt.
Doch er tat etwas anderes: Er ging betteln. In der Bäckerei von Wilhelm Schütte, fragte er nach einem Stück Brot. "Mein Vater war nur zufällig im Laden. Er war ja eigentlich nicht im Verkauf", erinnerte sich die Tochter des Bäckers, Helga Platte. Der verängstigte und abgemagerte Junge bekam sofort eine warme Mahlzeit und jede Woche ein Bad. Die Tränen treten Wiel Tulmans vor Dankbarkeit in die Augen. "Das ist meine Familie. Ohne sie hätte ich nicht überlebt."