Müngstener Brücke: Arbeiten in luftiger Höhe
30 Männer sind zurzeit auf dem Wahrzeichen im Einsatz. Zunächst werden Lager ausgetauscht, dann kommt Farbe dran.
Solingen. „Ich frage mich, wie die da rauf kommen“, sagt Wolfgang Chudy und zeigt auf Kritzeleien in der Müngstener Brücke — mehr als hundert Meter über der Wupper. Kopfschüttelnd fährt er weiter in seinem schlichten Untersuchungswagen. Rumpelnd geht es darin durch das Gerüst des 5000 Tonnen schweren Kolosses. Überall blüht der Rost, lässt den Lack Blasen werfen und die Farbe abplatzen. Doch der neue Anstrich muss erstmal warten.
Um die zwischen Remscheid und Solingen verkehrenden Züge der RB 47 möglichst rasch wieder auf die gesperrte Eisenbahnbrücke zu bekommen, müssen erst einmal die Lager erneuert werden. Rollen sind das, auf denen sich die obere Gleisbrücke ausdehnen und zusammenziehen kann — und zwar je nach Belastung und Temperatur im Sommer und Winter um bis zu einen halben Meter.
Um an die Stahlzylinder heranzukommen, haben die 30 Männer, die in ihren orangefarbenen Overalls derzeit auf dem Wahrzeichen im Einsatz sind, die obere Gleisbrücke mit Hydraulikpressen um fünf Zentimeter angehoben. Darunter, zwischen Stahlträgern, Gittern und Stromkabeln, mühen sich Johann Dering und André Günther, die Lager zu lösen. Eng ist es hier. Und gefährlich. „Man muss schon aufpassen“, sagen die Männer. „Hier kann wirklich jeder Schritt der letzte sein.“
Dafür arbeiten die Mechaniker im Auftrag der Deutschen Bahn AG an einem exklusiven Arbeitsplatz. Der Blick von der mit 107 Meter höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands ist atemberaubend.
28 Lager stehen auf ihrer Liste. „Sie tragen die Last und verteilen sie über die Quer- und Längsstreben in den Untergrund“, erklärt Michael Käufer, Leiter der Produktionsdurchführung. Sie sind mithin maßgeblich für die Standsicherheit des Bauwerks. Anschließend geht es an den Anstrich der in voraussichtlich vier Jahren rundum sanierten Brücke. Welchen genauen Farbton sie als Kaiser-Wilhelm-Brücke hatte, wissen die Lackierer (noch) nicht.
Bei ihrer Fertigstellung 1897 gab es nur Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Die Bahn lässt deshalb Lacksplitter mikroskopisch untersuchen. „Wir tun, was die Denkmalschützer fordern“, sagt Michael Käufer. In zwei Jahren wollen sie die 75 000 Quadratmeter Stahlgerüst — das entspricht zehn Fußballfeldern — unter Rolle und Pinsel nehmen. Allein der Lack an der Brücke wird 75 Tonnen wiegen.