NSU-Prozess: "Das Vertrauen in den Staat ist komplett weg"
Wie Wuppertals türkische Gemeinde mit Spannung und auch Verbitterung auf den Beginn des NSU-Prozesses wartet.
Wuppertal. Der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des National-sozialistischen Untergrunds (NSU), der eigentlich am Dienstag vor dem Münchener Oberlandesgericht beginnen sollte, gilt als das Gerichtsverfahren des Jahres in Deutschland. Dem NSU werden rassistisch motivierte Morde an neun ausländischen Kleinunternehmern sowie an einer Polizistin zur Last gelegt. Nicht zuletzt aufgrund der Debatte um Presseplätze für türkische Medienvertreter ist das Verfahren schon vor Beginn umstritten. Am Montag wurde sogar eine Verschiebung des Prozessbeginns bekanntgegeben.
Dabei wird die Verhandlung mit großer Spannung erwartet — gerade auch in Wuppertals türkischer Gemeinde. Schließlich waren acht der zehn Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe türkischer Abstammung. So wird im Café neben der Moschee an der Gathe bei türkischem Tee seit Tagen über das bevorstehende Gerichtsverfahren diskutiert. „Es gibt nur wenig Vertrauen in das Gericht“, heißt es dort unisono von den Besuchern. Dass die türkischen Medien vorab keine festen Plätze bekommen haben, versteht hier niemand. „Das wäre sehr wichtig gewesen für uns und hätte Vertrauen aufgebaut“, sagen sie hier.
Auch im Imbiss-Grill „Medina“, der direkt unter dem Caé sitzt, spricht man darüber. Die Hoffnung ist ein hartes Urteil für die Angeklagten. „Die Täter sollten so bestraft werden, dass so etwas nie wieder in Deutschland passiert“, sagt Sezgin Günasti. Das Verhältnis zu den Deutschen würde jedoch nicht leiden. „Wir können da schon gut zwischen den Tätern und der Bevölkerung unterscheiden. Daher haben wir auch die türkische und die deutsche Flagge hier hängen“, sagt Gökhan Kalayci.
Beim türkischen Kultur- und Bildungszentrum an der Wichlinghauser Straße vermutet man Überraschungen. „Bei uns sind viele Gemeindemitglieder besonders gespannt, was durch diesen Prozess noch so ans Licht kommt“, sagt der Vorsitzende Yavuz Aktas. Die Stimmung im Zentrum sei in großen Teilen von Misstrauen geprägt. „Wir erwarten nicht viel vom Prozess, da der deutsche Geheimdienst mit ihren V-Männern seine Finger drin hatte. Das schmerzt sehr, dass man dadurch weniger Vertrauen hat“, sagt der 48-Jährige, der seit 15 Jahren in Wuppertal lebt.
Auch Hatice Gümüsbas vom Kulturzentrum erhofft sich in erster Linie Gerechtigkeit. „Es wird leider nicht gerecht zugehen. Das hat man schon daran gesehen, dass türkische Medien keinen Platz im Saal bekommen haben“, sagt die gebürtige Türkin. Für sie sehe es so aus, als ob etwas verheimlicht werden soll. An eine Verurteilung der Angeklagten glaubt sie dennoch. „Ich gehe davon aus, dass sie eine harte Strafe bekommen werden. Dennoch werden weiterhin Geheimnisse bleiben.“ Das Vertrauen in den deutschen Staat sei einfach komplett weg, so Gümüsbas.
Das Verhältnis allgemein zu den Deutschen sieht Yavuz Aktas genau wie die Besucher des Cafés und der Imbissbude nicht beeinträchtigt. „Unserer tiefen Freundschaft kann durch diese Minderheit nicht geschadet werden. Egal wie der Prozess auch ausgeht, ob positiv oder negativ.“