Stichwahl Peter Jung (CDU): "Beteiligung ginge auch ohne Dezernat"
Der Amtsträger: Peter Jung (CDU) ist seit elf Jahren Wuppertals Oberbürgermeister. Der Christdemokrat ist 60 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder.
Herr Jung, was tun Sie, um den Umbau des Döppersbergs für Fußgänger und Autofahrer verträglicher zu machen?
Peter Jung: Eine solche Großbaustelle wie der Döppersberg-Umbau kann nicht gänzlich ohne Einschränkungen abgewickelt werden. Seit Beginn dieses Projektes haben wir an die 100 kleinere und größere Optimierungsmaßnahmen umgesetzt, viele in Abstimmung mit der IHK und dem Einzelhandel. Das reicht von Neubeschilderungen und optimierten Ampelschaltungen bis zum Wender auf der B 7 oder der Öffnung von Wall und Südstraße am Abend. Ganz aktuell markieren wir das neue Wegweisungssystem für Fußgänger vom Hauptbahnhof in die Innenstadt. Und der Verkehrsausschuss hat in dieser Woche auf Grundlage des von der Stadt mitfinanzierten IHK-Gutachtens weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsflusses am Robert-Daum Platz beschlossen. Diese werden bis Mitte Oktober umgesetzt.
Wie gewährleisten Sie, dass die Kosten des Projektes nicht aus dem Ruder laufen?
Jung: Wir kennen heute die Ausschreibungsergebnisse und können sagen, dass wir uns im Kosten- und Zeitplan befinden. Bereits 60 Prozent der Gesamtsumme von 140 Millionen Euro ist vergeben. Wir haben eine straffe Projektsteuerung eingesetzt, wöchentlich tagt unter meiner Leitung eine Lenkungsgruppe und durch den monatlichen öffentlichen Controllingbericht informieren wir stets aktuell und transparent über alle Details des Projektstandes und der Kostensituation.
Woran kann die Stadt Wuppertal noch sparen?
Jung: Über den beschlossenen Haushaltssanierungsplan hinaus, der den Haushaltsausgleich im Jahr 2017 vorsieht, sind den Wuppertalerinnen und Wuppertalern keine weiteren Belastungen mehr zuzumuten.
Wie werden Sie die Einnahmen der Stadt Wuppertal verbessern, damit nicht so viel gespart werden muss?
Jung: Das Wichtigste ist, dass Wuppertal weiterhin eine positive Einwohnerentwicklung nimmt, dass wir neue Unternehmen für Wuppertal hinzugewinnen und Abwanderung vermeiden. Wächst die Stadt, wachsen auch die Einnahmen durch Schlüsselzuweisungen und Gewerbesteuern. Weitere Belastungen durch Steuererhöhungen halte ich nicht für vertretbar.
Wie erreichen Sie es, dass Bund und Land nicht weiter Kosten auf die Stadt abwälzen?
Jung: Als Vorsitzender des Städtetages NRW und Stellvertreter der Präsidentin des Deutschen Städtetages werde ich mich weiterhin mit aller Kraft für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen einsetzen. Aktuell haben wir mit dem bundesweiten Aktionsbündnis, dessen Sprecher ich bin, dafür gesorgt, dass sich der Bundestag mit der kommunalen Finanzsituation befasst. Wir fordern insbesondere eine stärkere Beteiligung des Bundes und der Länder an den stetig steigenden Sozialkosten und ganz aktuell an den Kosten für die Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen.
Was sind Ihre Grundanforderungen an ein Unternehmen, das sich in Wuppertal niederlassen möchte?
Jung: Die Unternehmen sollen hier gute sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und auch oft nachgefragte flexible Arbeitszeitmodelle anbieten. Es ist mir wichtig, dass sowohl Arbeitsplätze für Hochqualifizierte als auch für Menschen mit geringerer Ausbildung entstehen.
Was tun Sie, damit in Wuppertal die Zahl der Arbeitslosen weiter sinkt?
Jung: Die zahlreichen Neuansiedlungen und Investitionen in bestehende Unternehmen — wie zum Beispiel von Bayer, EDE, Coroplast, Delphi, das Callcenter BUW, die Firma Putsch aus Hagen, Vorwerk und Ikea — zeigen, dass wir in Wuppertal ein investitionsfreundliches Klima geschaffen haben, auf das die Wirtschaft vertrauen kann. Das schafft neue Arbeitsplätze in unserer Stadt und sichert bestehende. Durch begleitende Maßnahmen des Jobcenters und der Arbeitsagentur wollen wir Menschen ohne Arbeit für sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze qualifizieren.
Wie und mit welchem Geld sorgen Sie dafür, dass es in Wuppertal genügend Betreuungsplätze für Kinder gibt?
Jung: Der Ausbau der Kinderbetreuung hat für mich hohe Priorität. Wir werden im laufenden Jahr deutlich über zehn Millionen Euro in neue oder erweiterte Kindergärten investieren und eine weitere Million Euro in deren Ausstattung — so zum Beispiel in der Bendahler Straße, Rödiger Straße, Kohlstraße.
Was konkret tun Sie, um den Kundenservice der Stadtverwaltung zu verbessern?
Jung: In publikumsintensiven Bereichen wie dem Einwohnermeldeamt haben wir Stellen aufgestockt und in Technik investiert. Das hat die Wartezeiten erheblich verkürzt. Wir werden außerdem bald das Gebäude Steinweg umbauen. Aktuell investieren wir in Aufrufanlagen für die Bürgerbüros. Und natürlich schauen wir immer darauf, wo wir beim Bürgerservice noch besser werden können.
Braucht Wuppertal wirklich ein Dezernat für Bürgerbeteiligung?
Jung: Wir müssen die Bürgerbeteiligung in unserer Stadt stärken. Nach meiner Auffassung hätten wir dies auch ohne ein eigenes Dezernat gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren in Wuppertal erreichen können. Allerdings respektiere ich die deutliche Mehrheitsentscheidung des Stadtrates hierzu. Jetzt gilt es, klare Regeln und Leitlinien gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern für zukünftige Beteiligungsverfahren zu entwickeln.
Wie schaffen Sie es, dass Wuppertals Straßen in absehbarer Zeit in einen brauchbaren Zustand versetzt werden?
Jung: Wir investieren bis 2018 rund 70 Millionen Euro in unsere Straßen - das ist viel Geld, reicht aber nicht aus, um den ermittelten Sanierungsstau von weit über 100 Millionen Euro schnell abzubauen. Deshalb fordere ich von der Bundesregierung ein Bundesinvestitionsprogramm für unsere Infrastruktur, also auch die Brücken und Treppen.
Wie bewerten Sie das Risiko für die Wuppertaler Stadtwerke durch die Beteiligung am Kohlekraftwerk Wilhelmshaven?
Jung: Die Entscheidung für eine Beteiligung am Kraftwerk Wilhelmshaven ist vor der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima getroffen worden. Seither hat sich die Energiepolitik grundlegend geändert, so dass eine solche Entscheidung heute sicher unter anderen Gesichtspunkten getroffen würde. Die Risiken der Beteiligung sind nicht von der Hand zu weisen, werden von den WSW ernst genommen, aber auch als beherrschbar angesehen. Für drohende Verluste haben die WSW vorsorglich Rückstellungen in Höhe von 30 Millionen Euro gebildet, so dass die Risiken mittelfristig in der Bilanz verarbeitet sind.
Wie stellen Sie sicher, dass qualifizierte Frauen es in die Chefetagen von städtischen Tochtergesellschaften wie Stadtwerke und Stadtsparkasse schaffen?
Jung: Ich werde mich — wie in unserem städtischen Frauenförderplan vorgesehen — auch bei unseren Konzerntöchtern für Gleichberechtigung einsetzen, so dass Frauen bei gleicher Befähigung bevorrechtigt werden.
Wie werden Sie die Entwicklung von Stadtteilen wie Oberbarmen, Wichlinghausen und Heckinghausen fördern?
Jung: Für die Entwicklung dieser Stadtteile liegt ein vom Rat beschlossenes und bis zum Jahr 2021 ausgerichtetes Handlungsprogramm vor, das in enger Abstimmung mit den Akteuren vor Ort erarbeitet wurde. Es enthält zahlreiche Maßnahmen und Projekte, die die Attraktivität in diesen Quartieren erheblich steigern werden. Für einen großen Teil der Vorhaben konnten wir bereits erfolgreich Förderzusagen des Landes erreichen. Für den Rest wird uns das auch noch gelingen.
Unterstützen Sie die Seilbahn nach Küllenhahn auch gegen den erklärten Widerstand der Anwohner?
Jung: Die Seilbahn ist ein faszinierendes Projekt, das als modernes, umweltfreundliches und schnelles Verkehrsmittel meine Unterstützung hat. Gleichzeitig habe ich großes Verständnis für die Bedenken der Anwohner und Grundstückseigentümer, die unmittelbar von der möglichen Trassenführung betroffen wären. Ich habe mich mit der hierzu gegründeten Bürgerinitiative vor Ort getroffen und deren Argumente aufgenommen. In den nun folgenden Planungen ist auch eine umfassende Bürgerbeteiligung vorgesehen, bei der mit Sorgfalt alle noch offenen Fragen geklärt sowie das Pro und Contra abgewogen werden müssen. Die Seilbahn ist nur zu realisieren, wenn für dieses Projekt eine überwältigende Akzeptanz besteht.
Wie schaffen Sie es, dass mehr Wuppertaler auf Bus und Schwebebahn umsteigen?
Jung: Die Vorteile unserer Schwebebahn, die täglich staufrei 80 000 Menschen befördert, sprechen schon heute für sich. Der Komfort der kommenden neuen Wagengeneration, noch kürzere Taktzeiten und die gute Verknüpfung mit einem bedarfsgerechten Busnetz werden noch mehr Kunden in unserer Stadt vom ÖPNV überzeugen. Im Übrigen schaffen wir mit dem neuen Döppersberg den modernsten barrierefreien ÖPNV-Verknüpfungspunkt in unserer Stadt.
Wie stellen Sie sicher, dass es in Wuppertal dauerhaft Schauspiel, Oper, Orchester und Tanztheater gibt?
Jung: Es steht für mich außer Frage, dass es auch in Zukunft ein vielfältiges Kulturangebot mit Schauspiel, Oper, Sinfonieorchester und Tanztheater Pina Bausch geben muss. Darüber hinaus wagen wir auch Neues: Das Pina Bausch Zentrum werden wir mit der Unterstützung von Bund und Land im ehemaligen Schauspielhaus errichten. Genau deswegen setze ich mich auf allen politischen Ebenen dafür ein, dass Wuppertal seinen Haushalt ausgleichen und danach mit dem Schuldenabbau beginnen kann. Wenn uns dies gelingt, sind wir endlich wieder in der Lage, Zukunftsfragen unserer Stadt tatsächlich eigenständig zu beantworten - und die richtigen Weichen für eine positive Entwicklung aller Kultursparten zu stellen. Darüber hinaus sind wir alle gefordert: Jeder Besuch in einer der Kultureinrichtungen unserer Stadt sichert ihren Erhalt!
Was wollen Sie konkret für die freie Kulturszene in Wuppertal tun?
Jung: Mir ist sehr bewusst, dass die große Vielfalt und Kreativität der freien Szene in Wuppertal — auch im Vergleich zu anderen Städten — in einzigartiger Weise die Lebensqualität und Anziehungskraft unserer Stadt ausmacht. Ich werde mich auch weiterhin dafür einsetzen, dass viele Projekte und Ideen durch Finanzierungsbeiträge Dritter ermöglicht werden. Allerdings ist auch für die Zukunft klar, das Stadtrat und Verwaltung gemeinsam versuchen müssen, die geringen Mittel, die wir von Seiten der Stadt zur Förderung der freien Szene aufbringen können, zu erhalten und weiterhin zielgerichtet einzusetzen.
Wie wollen Sie verhindern, dass das Land NRW auf Lichtscheid eine Forensik baut?
Jung: Ich unterstütze die Bürgerinitiative gegen eine Forensik auf Lichtscheid und werde mich auch auf allen Ebenen dagegen wehren. Eine Forensik an diesem Ort würde all unseren Zielen der Stadtentwicklung widersprechen. Wenn die Bereitschaftspolizei wie vorgesehen an die Parkstraße verlagert wird, muss die freigewordene Fläche als Wohngebiet entwickelt werden. Wuppertal braucht dieses Potenzial! Nach inzwischen drei Jahren empfinde ich es als unerträglich, wie das Land eine Entscheidung verschleppt.
Befürworten Sie das FOC auf dem Döppersberg, auch wenn es dem bestehenden Elberfelder Einzelhandel schadet?
Jung: Möglichst viele Menschen sollen in Wuppertal einkaufen und den örtlichen Handel stärken. Ich bin optimistisch, dass ein FOC viele Kunden nach Wuppertal lockt, von denen auch der Einzelhandel und die Innenstadt insgesamt profitieren werden. Die Auswirkungen eines FOC auf den Einzelhandel müssen im weiteren Planungsverfahren genau gutachterlich untersucht und die potenziellen Sortimente eines FOC gegebenenfalls angepasst werden.
Muss die Stadt Wuppertal den Wuppertaler SV auf dem Weg zurück in den Profi-Fußball auch finanziell unterstützen?
Jung: Nein, das kann die Stadt leider nicht leisten. Allerdings führe ich regelmäßig Gespräche — mit dem Vorstand des WSV ebenso wie mit dem BHC und anderen Vereinen —, um eine möglichst breite Unterstützung des (Spitzen-)Sports in Wuppertal zu gewährleisten.