Ein Revolutionär und Lebemann
Michael Wallners Collage „Engels & Friends“ wurde im Theater am Engelsgarten uraufgeführt.
Wuppertal. Guter Typ, dieser Friedrich Engels. Schlau, charmant und weltgewandt — zwölf Sprachen spricht er. Der Mann kann Kapitalismus, denn er leitet jahrzehntelang eine Fabrik in Manchester, der Mann kann Kommunismus, denn er entwickelt mit Karl Marx den wissenschaftlichen Sozialismus, der wirkt und wirkt und wirkt.
Die Wuppertaler wissen wohl, dass dieser Barmer eine große Nummer der Weltgeschichte ist, haben mit ihm aber trotzdem nicht viel am Hut. Dem unterkühlten Verhältnis will Autor und Regisseur Michael Wallner mit seiner dramatischen Collage „Engels & Friends“ auf die Sprünge helfen. Die Uraufführung kam am Samstag im Theater am Engelsgarten auf die Bühne. Wallner umgarnt die Zuschauer anfangs mit allerlei Bühnenmitteln. Man ist mit der historischen Figur gleich im Hier und Jetzt, denn „dahinten steht ein neues Denkmal“, heißt es mit Fingerzeig Richtung Opernhaus. „Und wer hat’s gestiftet? Na??“, geht die Quizfrage ans amüsierte Publikum.
Das bekommt dazu ein paar bekannte Textbrocken hingeworfen wie „Die Mittelschicht wird abgehängt“ und „Marx hat recht“.
Und mit Musik geht ja alles noch besser: Das Ensemble bringt ein schmissiges Lied vom Kapital, das die erste Geige spielt, Stefan Walz durchmisst als Vater Engels sonor singend den Zuschauerraum.
Beim Konflikt zwischen Fabrikantenvater und Revoluzzersohn (Originalton Engels: „Ein Kind mehr oder weniger umkommen zu lassen, bringt keine Pietistenseele aus der Ruhe“) beginnt man gerade, sich mental im Stück einzurichten, da schaltet der Regisseur den Turbo ein. Im Sauseschritt geht es fortan ohne Musik und großen Schnickschnack durch das rasante Engels-Leben von Bremen über Berlin nach Manchester und London.
Der Revolutionär und Lebemann ist eine Paraderolle für Thomas Braus, seine Kollegen hingegen haben in ihren vielen verschiedenen Kurzrollen wenig Gelegenheit zur Entfaltung.
Das Bühnenbild von Heinz Hauser — eine oben aufgeklappte rote Schachtel mit aufgedruckter Landkarte — erweist sich als erstaunlich variabel. Der Zuschauer allerdings fühlt sich von der Folge knapper Skizzen überrollt. Autor Wallner greift darin so oft wie möglich auf Engels’ Originaltexte zurück. Das ist schön und ehrenwert, doch sind die Passagen in ihrer gedanklichen Tiefe und ohne Zusammenhang oft ganz schön sperrig.
Und anders als bei Michael Wallners erfolgreichem Stück über Willy Brandt können Zuschauer zum 1895 verstorbenen Friedrich Engels keine eigenen Bilder und Erinnerungen aufklappen. So folgt man ein wenig atemlos dieser revolutionären Revue — man hätte gern die Zeit gehabt, mit Engels besser warm zu werden.